15 Gruselstories
selber gewesen sein, der ihm den Zauberstab gegeben hat, mit dem er alle Tricks ausführen kann.«
Sie nickte und ließ mich nicht aus den Augen.
Ich warf wieder einen Blick auf den Zauberstab. Er glitzerte immer noch. Genauso wie ihre Haare und ihre Augen.
»Warum kann ich den Zauberstab nicht einfach stehlen?«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das würde nichts nutzen, zumindest nichts, solange er am Leben ist.«
»Solange er am Leben ist«, wiederholte ich.
»Wenn er allerdings – oh, Hugo, Sie müssen mir helfen! Es gibt nur einen Ausweg – und es wäre keine Sünde – nicht, wenn jemand seine Seele dem Teufel verschrieben hat. Oh, Hugo, Sie müssen mir helfen! – Sie werden mir helfen, nicht wahr?«
Sie küßte mich.
Sie küßte mich. Wirklich und wahrhaftig! Sie legte ihre Arme um meinen Rücken, und ihr goldenes Haar umhüllte mich. Ihre Lippen waren weich und ihre Augen glänzten. Sie erklärte mir genau, was ich zu tun hatte, und sagte immer wieder, daß es keine Sünde wäre, weil er doch seine Seele dem Teufel verkauft hätte. Außerdem würde es niemand erfahren.
Ich sagte also: Ja, ich würde es tun.
Sie erklärte mir noch einmal genau, wie ich es anzustellen hätte. Und ich mußte es schwören, die Geschichte niemals und niemandem zu verraten. Egal, was passierte. Selbst dann sollte ich schweigen, wenn etwas schiefgehen sollte und jemand Fragen an mich stellen würde.
Ich schwor. Dann wartete ich.
Ich wartete auf Sadinis Rückkehr. Und ich wartete, bis die Vorstellung zu Ende war und alle nach Hause gegangen waren. Als Isobel ins Hotel ging, bat sie Sadini, mir beim Zusammenräumen zu helfen, weil ich mich nicht wohlfühlte. Er war sofort dazu bereit. Es verlief alles so haargenau am Schnürchen, wie sie es mir versprochen hatte.
Als wir mit dem Abbau begannen, war außer dem Nachtportier kein Mensch mehr im Haus. Und der saß in seinem kleinen Zimmer, das weit entfernt von der Bühne, direkt an der Straße lag. Während Sadini packte, ging ich auf den Gang hinaus, um mich davon zu überzeugen, daß er dunkel und ausgestorben war. Dann ging ich in die Garderobe, wo Sadini gerade dabei war, die letzten Utensilien zusammenzulegen.
Der Zauberstab lag noch unberührt da. Er glitzerte und glitzerte, und ich hätte ihn für mein Leben gern einmal in die Hand genommen, um die Macht zu spüren, die der Teufel ihm eingehaucht hatte. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Denn ich mußte mich hinter Sadini stellen, der sich gerade über eine Kiste beugte. Und dann mußte ich das Stück Bleirohr aus der Tasche ziehen und es einmal, zweimal, dreimal auf seinen Kopf niedersausen lassen.
Es gab ein abscheulich knirschendes Geräusch und dann einen dumpfen Fall, als Sadini auf dem Boden zusammensackte.
Ich brauchte ihn jetzt nur noch in die Kiste zu wuchten und –
Aber da hörte ich ein anderes Geräusch!
Jemand klopfte an die Tür!
Als ich erstarrt stehenblieb, rüttelte dieser Jemand an der Klinke. Ich mußte den leblosen Körper schnell in eine Ecke schleifen, damit er nicht gleich zu sehen war. Aber viel Zweck hatte das nicht. Das Klopfen an der Tür wurde heftiger. Dann hörte ich eine Stimme.
»Machen Sie auf, Hugo! Ich weiß, daß Sie da sind!«
Was blieb mir anderes übrig, als die Tür zu öffnen? Ich hatte nicht einmal Zeit, das Bleirohr aus der Hand zu legen. Darum versteckte ich es hinter meinem Rücken. George Wallace schoß herein.
Ich glaube, er war betrunken. Wie dem auch sei, er sah jedenfalls nicht sofort den am Boden liegenden Sadini, sondern starrte nur mich an und fuchtelte aufgeregt mit den Armen.
»Hugo – iich mmmuß mit ddir reden.« Na schön, er war also wirklich betrunken. Die Fahne, die mir entgegenwehte, war beachtlich. Seine Stimme wurde heiser, als er
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