15 Gruselstories
mordete, wie ein Ei dem anderen. Ich glaube darum, daß wir ihn hier finden werden. Er scheut das Licht. Er lauert seinen Opfern in der Dunkelheit auf.«
»Haben Sie deshalb wieder Ihren Revolver bei sich?« Meine Frage sollte sarkastisch klingen, aber meine Nervosität war nicht zu überhören. Sein ganzes Gerede, seine Besessenheit von seiner Version über Jack the Ripper gingen mir mehr auf die Nerven, als ich mir eingestehen wollte.
»Wir werden die Waffe vielleicht brauchen können«, verkündete Sir Guy mit ernster Stimme. »Heute ist immerhin die Nacht, in der er morden muß .«
Wir wanderten durch die nebligen, ausgestorbenen Gassen. Hin und wieder leuchtete eine schwache Lampe über einer finsteren Kneipe auf. Ansonsten gab es nur Dunkelheit und Schatten.
Wir arbeiteten uns schweigend und verbissen durch den dichten Nebel wie zwei kleine Würmer durch ein Leichentuch.
Als mir dieser Vergleich einfiel, zuckte ich zusammen. Diese Umgebung und die ganze Stimmung machten mir langsam auch zu schaffen. Wenn ich mich nicht zusammenriß, würde ich bald genauso spinnen wie Sir Guy.
Ich zupfte ungeduldig an seinem Mantelärmel. »Sie sehen doch selbst, daß in diesen Straßen keine Menschenseele ist«, sagte ich.
»Warten Sie ab. Er muß kommen, weil es ihn einfach hierhertreibt. Ich baue darauf, daß ihn diese Gassen magisch anziehen. Wenn er seine Opfer überwältigt hat, geschah es immer in den Slums.
Seine Vorliebe für den Schmutz ist eine seiner großen Schwächen. Darüber hinaus sind die Frauen, die er für seine Opferungen bevorzugt, in den Kaschemmen oder Kneipen der Elendsviertel leichter zu finden.«
Ich grinste. »Wie wäre es, wenn wir eine dieser Kaschemmen oder Kneipen aufsuchten?« schlug ich vor. »Mir ist kalt, und ich habe das dringende Bedürfnis, mich innerlich aufzuwärmen. Dieser verdammte Nebel geht einem durch Mark und Bein. Ihr Engländer seid da ja härter im Nehmen, aber mir ist warmer Mief lieber als kalter Ozon.«
Nach einigen hundert Metern schimmerte uns ein schwaches blaues Licht durch die weißen Nebelwolken entgegen, das sich beim Näherkommen als eine nackte Birne entpuppte, die über dem Eingang einer Kneipe baumelte.
»Ein Versuch kann nicht schaden«, meinte ich. »Mir klappern langsam die Zähne vor Kälte.«
»Wenn Sie vorgehen wollen«, sagte Sir Guy und trottete hinter mir her. Vor der Eingangstür blieb ich einen Augenblick stehen. »Worauf warten wir?« wollte Sir Guy wissen.
»Ich will erst einen kurzen Blick hineinwerfen«, erklärte ich ihm. »In dieser finsteren Gegend kann man nie wissen, wo man hineingerät, Sir Guy. Ich habe keine Lust, in einen Streit verwickelt zu werden. In einigen dieser Negerkneipen hat man etwas gegen weiße Gäste.«
»Gut, wenn man so etwas weiß«, murmelte Sir Guy.
Ich schaute durch die Tür. »Es scheint leer zu sein«, warf ich Sir Guy über die Schulter zu. »Wir werden es versuchen.«
Wir betraten einen düsteren, schmutzigen und übelriechenden Raum. Über der Theke flackerte ein schwaches Licht, dessen Schein jedoch nicht bis in die einzelnen Nischen zu dringen vermochte.
Hinter der Theke flegelte sich ein riesiger Neger, ein Koloß mit einem hervorspringenden Kinn und einem affenartigen Körper.
Er rührte sich nicht von der Stelle. Aber ich sah, daß sich seine Augen leicht verengten, und wußte, daß er uns bemerkt hatte und uns abschätzend betrachtete.
»’n Abend«, sagte ich.
Er schien sein Urteil über uns noch nicht abgeschlossen zu haben, denn er ließ sich mit der Antwort Zeit. Aber dann verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen, »’n Abend, die Herren. Was darf’s sein?«
»Gin«, sagte ich. »Zwei Glas Gin. Die Nacht ist kalt.«
»Das stimmt, Herr.«
Er schenkte ein, ich
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