15 Gruselstories
wird er in den Sumpf abbiegen. Er wird sich unter dem großen Baum beim Schuttabladeplatz ausruhen.
Du versteckst dich am besten hinter dem Baum und wartest, bis er sich nach Holz zum Feuermachen umsieht. Dann weißt du, was du zu tun hast. Hole jetzt die Axt. Und beeile dich!«
Manchmal frage ich Henoch, was er mir dafür geben wird, aber meist vertraue ich ihm blind. Außerdem weiß ich, daß ich den Befehl ja sowieso ausführen muß. Also kann ich mich auch gleich ans Werk machen. Henoch irrt sich auch niemals, und er hält mir Schwierigkeiten vom Leibe.
Das heißt, das hat er immer getan – bis auf den letzten Fall.
Als ich eines Abends in meiner Hütte saß und gerade beim Abendbrot war, fing er an, mir von diesem Mädchen zu erzählen. »Sie wird dich besuchen«, flüsterte er. »Sie ist ein bildhübsches Mädchen. Sie ist klein und zierlich und hat sehr zarte Knochen.«
Zuerst dachte ich, daß Henoch von einer meiner Belohnungen sprach, aber dann stellte ich fest, daß er ein Wesen aus Fleisch und Blut meinte.
»Sie wird an deine Tür klopfen und dich bitten, ihr Auto wieder in Gang zu bringen. Sie wollte den Weg in die Stadt verkürzen und ist über, eine Nebenstraße gefahren. Dabei ist sie in den Sumpf geraten und hat eine Panne. Ein Reifen muß gewechselt werden.« Es war seltsam, Henoch über so etwas wie Autoreifen reden zu hören. Aber Henoch kannte sich damit aus. Es gibt nichts, was er nicht weiß oder nicht kann.
»Du wirst mit ihr gehen, wenn sie dich um Hilfe bittet. Du brauchst nichts mitzunehmen. Im Auto ist ein Schraubenschlüssel. Benutze den.«
Dieses Mal machte ich wieder den Versuch, mich zu weh ren. »Ich will es nicht tun, ich will es nicht tun«, winselte ich.
Aber er lachte nur. Und dann sagte er mir, was er mit mir machen würde, wenn ich mich weigerte. Er sagte es mir wieder und wieder.
»Ist es nicht besser, ich tue es ihr an und nicht dir?« flüsterte Henoch. »Oder ist es dir lieber, wenn ich … ?«
»Nein, nein«, beeilte ich mich zu sagen. »Ich mache es schon.«
Und ich tat es.
Nach fünf Minuten klopfte sie an meine Tür, und es war genauso, wie Henoch es mir zugeflüstert hatte. Sie war bildhübsch und hatte blonde Haare. Ich liebe blonde Haare. Als ich mit ihr in den Sumpf ging, war ich sehr froh, daß ich ihre blonden Haare nicht zerstören mußte. Ich ließ den Schraubenschlüssel auf ihr Genick niedersausen.
Henoch hatte mir alles genau vorgeschrieben.
Dann verscharrte ich ihren Körper im Triebsand. Henoch war bei mir und achtete darauf, daß ich die Fußspuren beseitigte.
Das Auto bereitete mir einiges Kopfzerbrechen, aber Henoch zeigte mir, wie ich es mit einem morschen Baumstumpf beschweren sollte. Ich war nicht so sicher, daß das Auto im Sumpf versinken würde. Aber es war so. Und es ging schneller, als ich geglaubt hatte.
Ich atmete erleichtert auf, als ich das Auto verschwinden sah, und warf den Schraubenschlüssel hinterher.
Dann befolgte ich Henochs Anweisung, nach Hause zu gehen.
Ich fühlte, wie ich wieder in meine andere Welt hinüberglitt.
Henoch hatte mir diesmal eine besondere Belohnung versprochen, und ich versank sofort in einen tiefen Schlaf. Ich spürte kaum noch, wie der Druck von meinem Kopf verschwand, denn Henoch verließ mich, um in den Sumpf zurückzueilen, wo ihn seine Belohnung erwartete …
Ich habe keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe. Aber es muß eine lange Zeit gewesen sein. Als ich langsam wieder zu mir kam, merkte ich, daß Henoch wieder bei mir war, und hatte gleichzeitig das dumpfe Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmte.
Als ich das Hämmern an meiner Tür hörte, wurde ich mit einem Schlage völlig munter.
Ich saß erstarrt da und wartete, daß mir Henoch etwas zuflüstern würde, daß er mir sagen würde, was ich tun sollte.
Aber Henoch schlief jetzt. Er schlief immer
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