15 Gruselstories
immer Sie mir auch erzählen werden.«
»Was wollen Sie denn wissen?«
»Oh, eine ganze Menge. Vor allen Dingen interessiert mich Henoch sehr. Wie viele Menschen sollten Sie denn bisher für ihn töten – ich meine – alles in allem?«
»Neun«, entgegnete ich.
»Und sind alle neun im Triebsand begraben?«
»Ja.«
»Kennen Sie ihre Namen?«
»Nur die wenigsten.« Ich nannte ihm die Namen, die ich kannte. »Häufig beschreibt mir Henoch den Betreffenden nur«, erklärte ich.
Mr. Cassidy kicherte und holte eine Zigarre aus seiner Tasche. Ich runzelte die Stirn.
»Sie mögen es nicht, wenn ich rauche, wie?«
»Nein – bitte – entschuldigen Sie. Meine Mutter hielt nichts vom Rauchen. Sie hat es mir nie erlaubt.«
Jetzt lachte Mr. Cassidy laut auf. Aber er steckte die Zigarre wieder weg und beugte sich vor.
»Sie können mir sehr behilflich sein, Seth«, flüsterte er. »Ich nehme an, daß Sie wissen, was ein Staatsanwalt zu tun hat.«
»Er ist so eine Art Rechtsanwalt bei Prozessen, nicht wahr?«
»Sehr richtig. Und man hat mich zu Ihrem Prozeß herbeordert. Nun kann ich mir vorstellen, daß es Ihnen nicht angenehm ist, sich vor all diese Leute zu stellen und ihnen zu erzählen – was passiert ist. Habe ich recht?«
»Ja, Mr. Cassidy.« Ich nickte eifrig. »Nicht vor diesen gemeinen Leuten hier in der Stadt. Sie hassen mich.«
»Dann will ich Ihnen einen Vorschlag machen. Sie erzählen mir alles ganz genau, und ich spreche dann für sie. Das ist die einfachste Sache der Welt.«
Ich wünschte so sehr, daß mir Henoch helfen würde. Aber er schlief immer noch. So mußte ich selbst einen Entschluß fassen. Ich schaute Mr. Cassidy lange an.
»Ja«, sagte ich dann. »Ich werde Ihnen alles erzählen.«
Und ich erzählte ihm alles, was ich wußte.
Als ich mit meiner Geschichte zu Ende war, blickte er eine Weile schweigend vor sich hin, dann räusperte er sich.
»Noch eine letzte Frage, Seth. Wir haben im Sumpf einige Leichen gefunden. Emily Robbins Leiche und ein paar andere konnten wir identifizieren. Aber es wäre für uns einfacher, wenn wir noch etwas wüßten. Sie können mir das sicher sagen, Seth.
Wo sind alle die Köpfe?«
Mr. Cassidy kicherte nicht mehr. Und er hörte so interessiert zu, daß er gar keine Zeit mehr zum Kichern hatte.
Ich stand auf und wandte mich ab. »Ich kann Ihnen das nicht sagen«, murmelte ich, »ich weiß es selber nicht.«
»Sie wissen es nicht?«
»Nein. Ich habe sie Henoch überlassen«, erklärte ich. »Verstehen Sie denn nicht – deshalb mußte ich doch die Menschen für ihn töten; weil er die Köpfe haben wollte.«
Mr. Cassidy schaute mich verblüfft an.
»Ich mußte immer die Köpfe abtrennen und sie an Ort und Stelle liegenlassen«, fuhr ich fort. »Die Leichen habe ich dann im Triebsand verscharrt und bin nach Hause gegangen. Henoch verhalf mir erst zu meinem Schlaf und belohnte mich. Dann ging er fort – er kehrte zu den Köpfen zurück. Genau das war es, was er wollte.«
»Warum wollte er die Köpfe, Seth?«
Ich erklärte es ihm und sprach dann weiter: »Schauen Sie, darum würde es Ihnen gar nichts nützen, wenn Sie die Köpfe fänden – Sie würden wahrscheinlich doch nichts mehr erkennen können.«
Mr. Cassidy richtete sich auf und seufzte. »Wie konnten Sie zulassen, daß Henoch solche abscheulichen Dinge tut?«
Ich zuckte die Achseln. »Mir blieb gar nichts anderes übrig. Sonst hätte er es mit mir so gemacht. Damit hat er mir immer gedroht, müssen Sie wissen. Er braucht die Köpfe, um existieren zu können. Also mußte ich ihm wohl oder übel gehorchen.«
Mr. Cassidy ließ mich nicht aus den Augen, als er in der Zelle hastig auf und ab ging, aber er sagte kein Wort. Er machte auf einmal einen sehr nervösen Eindruck. Als ich mich ihm näherte, trat er unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Sie werden
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