15 Gruselstories
erwähnen.
Ich werde bald wiederkommen und Sie über alles, was mit dem Prozeß zusammenhängt, auf dem laufenden halten. Und was diesen Dr. Silversmith angeht: der rennt sicher herum und erzählt allen Leuten, daß Sie verrückt sind. Jetzt, wo Henoch bei mir ist, ist es vielleicht das beste, Sie streiten einfach alles ab, was Sie Dr. Silversmith gesagt haben.«
Das leuchtete mir ein. Mr. Cassidy war wirklich ein feiner Bursche. »Ich werde alles tun, was Sie für richtig halten, Mr. Cassidy. Aber trotzdem möchte ich es Ihnen noch einmal sagen: Behandeln Sie Henoch gut, und er wird Sie gut behandeln.«
Mr. Cassidy schüttelte mir zum Abschied die Hand, und dann verließ er mich – und mit ihm Henoch. Die Müdigkeit überwältigte mich wieder. Vielleicht lag es daran, weil die Spannung von mir gewichen war oder aber an dem seltsamen Gefühl, das ich hatte – das Bewußtsein, daß Henoch fort war.
Wie dem auch sein mochte, ich fiel in einen tiefen Schlaf. Es war schon dunkel, als ich wieder aufwachte. Charles Potter trommelte gegen meine Zellentür und brachte mir das Abendbrot.
Als ich ihn freundlich begrüßte, zuckte er zusammen und trat einen Schritt zurück.
»Mörder!« kreischte er. »Sie haben inzwischen neun Leichen aus dem Sumpf gezogen. Du wahnsinniges Ungeheuer, du –«
»Aber Charles«, sagte ich betrübt, »ich habe Sie für einen Freund gehalten.«
»Blöder Hund! Ich gehe gleich weg und lasse dich hier allein eingesperrt. Der Sheriff wird dafür sorgen, daß keiner eindringt, um dich zu lynchen. Wenn du mich fragst, ist das reine Zeitverschwendung!«
Dann schaltete Charles alle Lampen aus und ging. Ich hörte noch, wie er die Vordertür verschloß, und dann war ich ganz allein im Gefängnis.
Ganz allein! Es war ein seltsames Gefühl, zum erstenmal seit vielen Jahren allein zu sein. Ganz allein – ohne Henoch.
Ich strich mit der Hand über meinen Kopf. Ich kam mir einsam und verlassen vor.
Der Mond schien in meine Zelle. Ich stand auf und schaute durch die Gitterstäbe hindurch auf die verlassene Straße. Henoch hat schon immer den Mond geliebt. Der Mondschein machte ihn lebendig. Er machte ihn ruhelos und gierig. Ich fragte mich, wie er sich jetzt bei Mr. Cassidy fühlen mochte.
Ich mußte eine ganze Weile in Gedanken versunken an dem vergitterten Fenster gestanden haben. Ich hörte, daß jemand an dem Türschloß herumfummelte, und drehte mich langsam um. Ich merkte, daß meine Beine eingeschlafen waren.
Dann wurde die Tür aufgestoßen, und Mr. Cassidy taumelte herein. »Nehmen Sie ihn mir wieder ab!« brüllte er. »Nehmen Sie ihn um Gottes willen zurück!«
»Aber was ist denn los?« fragte ich.
»Henoch – dieses Ding von Ihnen – ich dachte natürlich, daß Sie verrückt sind – aber vielleicht bin ich der Verrückte – nehmen Sie ihn mir wieder ab!«
»Aber warum denn, Mr. Cassidy? Ich habe Ihnen doch vorher gesagt, wie Henoch ist.«
»Er trampelt mir auf dem Kopf herum. Ich kann ihn genau spüren. Und ich kann ihn hören. Ich verstehe genau die Dinge, die er mir ins Ohr flüstert!«
»Aber ich habe Ihnen das doch alles erklärt, Mr. Cassidy. Henoch will jetzt etwas von Ihnen, nicht wahr? Und Sie wissen auch ganz genau, was. Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Sie müssen es ihm geben. Sie haben es versprochen!«
»Das kann ich nicht«, jammerte Mr. Cassidy. »Und ich werde nicht für ihn töten. Er kann mich nicht zum Mörder …«
»Er kann. Und er wird es.«
Mr. Cassidys Hände umklammerten die Gitterstäbe der Zellentür. »Seth«, flehte er, »Sie müssen mir helfen! Rufen Sie Henoch zu sich. Nehmen Sie ihn zurück. Beeilen Sie sich! Schnell!«
»Also schön, Mr. Cassidy«, murmelte ich.
Ich rief Henoch.
Er antwortete nicht.
Ich rief noch einmal.
Schweigen.
Mr. Cassidy begann zu weinen. Das versetzte
Weitere Kostenlose Bücher