15 Gruselstories
das doch alles beim Prozeß erklären«, fragte ich, »nicht wahr? Ich meine – das mit Henoch – und überhaupt alles?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich werde bei der Verhandlung nichts von Henoch erwähnen, und Sie werden es auch nicht tun«, sagte Mr. Cassidy. »Kein Mensch soll überhaupt etwas von Henochs Existenz erfahren.«
»Aber warum nicht?« stammelte ich.
»Ich versuche doch, Ihnen zu helfen, Seth. Können Sie sich nicht vorstellen, was die Leute sagen werden, wenn wir etwas von Henoch erwähnen? Sie würden Sie bestimmt für verrückt erklären. Und das wollen Sie doch nicht, nicht wahr?«
»Nein, natürlich nicht. Aber was wollen Sie sonst tun? Wie wollen Sie mir helfen?«
Mr. Cassidy lächelte mich an.
»Ich bin sicher, daß Sie sich vor Henoch fürchten … entschuldigen Sie, ich habe laut gedacht … aber was halten Sie davon, wenn Sie Henoch mir geben würden?«
Ich schluckte.
»Ja. Ich meine es ernst. Was halten Sie davon, wenn Sie mir Henoch überlassen? Gleich, jetzt!
Lassen Sie mich während der Verhandlung auf ihn aufpassen. Dann würde er Ihnen nicht gehören, und Sie brauchten auch nichts von ihm zu erwähnen. Außerdem glaube ich, daß er auch nicht damit einverstanden wäre, wenn die Leute wüßten, was er treibt.«
»Da mögen Sie recht haben«, murmelte ich. »Henoch würde es mir sehr übelnehmen und böse auf mich sein. Er ist ein Geheimnis – wissen Sie. Aber ich mag Ihnen Henoch nicht geben, ohne ihn vorher zu fragen – und er schläft jetzt.«
»Er schläft?«
»O ja. Mitten auf meinem Kopf. Sie können ihn nur nicht sehen.« Mr. Cassidy schaute auf meinen Kopf und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
»Oh – ich könnte ihm alles erklären, wenn er aufwacht«, schlug er dann, wieder ernst werdend, vor. »Wenn er erfährt, daß es zu Ihrem Besten geschehen ist, wird er sich sicher über diese Lösung freuen.«
»Ja – das kann schon so sein.« Ich atmete erleichtert auf. Dann fiel mir etwas ein. »Aber Sie müssen mir versprechen, gut auf ihn aufzupassen, Mr. Cassidy.«
»Aber natürlich.«
»Und Sie werden ihm alles geben, was er verlangt? Alles, was er braucht?«
»Selbstverständlich«, versprach Mr. Cassidy.
»Und Sie werden keiner Menschenseele etwas davon sagen?«
»Keiner Menschenseele.«
»Sie müssen sich aber darüber klar sein, was mit Ihnen geschieht, wenn Sie sich Henochs Befehlen widersetzen«, warnte ich Mr. Cassidy. »Er würde sich dann das, was er braucht, von Ihnen – mit Gewalt nehmen.«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken, Seth.«
Ich stand mindestens eine Minute lang regungslos da, denn ich spürte auf einmal, daß sich etwas auf mein Ohr zu bewegte.
»Henoch«, flüsterte ich, »kannst du mich hören?«
Er hörte mich.
Ich erklärte ihm ausführlich, weshalb ich ihn für einige Zeit Mr. Cassidy geben wollte. Henoch sagte dazu kein Wort.
Und Mr. Cassidy sagte auch kein Wort. Er saß nur da und grinste. Ich kann mir vorstellen, daß es reichlich seltsam wirkte, wie ich da auf ein – Nichts einredete.
»Geh zu Mr. Cassidy, Henoch«, flüsterte ich eindringlich. »Geh zu ihm. Gleich jetzt!«
Und Henoch ging.
Sein leichtes Gewicht verschwand von meinem Kopf. Das war alles. Aber ich wußte, daß er gegangen war.
»Spüren Sie Henoch, Mr. Cassidy?« fragte ich.
»Was? O ja – gewiß, gewiß«, brummte Mr. Cassidy und erhob sich.
»Passen Sie gut auf Henoch auf«, bat ich eindringlich.
»Aber sicher.«
»Sie dürfen Ihren Hut nicht aufsetzen«, stotterte ich. »Henoch kann keine Hüte leiden.«
»Oh – entschuldigen Sie – daran habe ich nicht gedacht. Aber nun, Seth, möchte ich mich für heute von Ihnen verabschieden. Sie waren mir eine große Hilfe. Und von jetzt ab können wir Henoch einfach vergessen – ich meine, wir brauchen ihn anderen Leuten gegenüber nicht zu
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