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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hielten bei ihm an. Er streckte uns die Hand entgegen und stammelte dabei tonlos nur das eine Wort:
    „Ejlik, ejlik, ejlik – Wohltat, Wohltat, Wohltat!“
    Die anderen gaben ihm, und auch ich reichte ihm ein Zweipiasterstück. Fast aber erschrak ich, denn als ich vom Pferd herab ihm die Münze in die Hand legte, ging ein Zucken durch seinen Körper, als hätte er aufspringen wollen, und aus seinen vorher so glanz- und leblosen Augen blitzte ein Blick auf mich, ein Blick voll Haß und Grimm, wie ich ihn noch nie im Auge eines Feindes beobachtet hatte. Im nächsten Moment aber senkten sich die Lider, und das Gesicht nahm den Ausdruck der Stupidität wieder an.
    „Schükür, schükür – Dank, Dank!“ stammelte er.
    Das war so seltsam, fast unglaublich, wenn ich es nicht so außerordentlich deutlich gesehen hätte. Was hatte er mit mir? Warum diese grundlose Feindseligkeit gegen einen völlig Fremden? Und wenn aus diesen Augen ein so intensiver Blick des Hasses leuchten konnte, war der Mensch wirklich blödsinnig? Dabei empfand ich ein unbestimmtes Gefühl, als ob ich dieses Gesicht bereits einmal gesehen hätte. Aber wann und wo? Täuschte ich mich nicht? Schien es denn nicht, als ob auch er mich kenne?
    Wir ritten weiter, ich hinter den anderen; ganz unwillkürlich wendete ich mich zurück, um noch einmal einen Blick auf ihn zu richten.
    Was war denn das? Er hockte gar nicht mehr so hilflos auf dem Stein. Er saß kraftvoll da, ich möchte beinahe sagen stramm, und hatte den rechten Arm mit der Krücke erhoben und schwang sie drohend uns nach. Uns? Vielleicht nur mir!
    Es wurde mir fast unheimlich zu Mut. Der Mensch sah in diesem Augenblick wie ein wahrer Satan aus. Ja, satanisch verzerrt waren die Züge seines Gesichtes. Es dämmerte in mir, wo ich ihn bereits gesehen hatte. Eine orientalische Stadt – fürchterliches Menschengedränge entsetzliches Schreien und Brüllen – tausend Hände langten nach mir – sollte es in Mekka – das phantasmatische Bild sank wieder in mein Inneres zurück, und ich wußte ebenso wenig wie vorher.
    „Kann dieser Bettler wirklich nicht gehen?“ fragte ich den Türken.
    „Nur mit der Krücke“, antwortete er. „Die Beine hängen ihm wie Lappen an dem Leib.“
    „Auch nicht aufrecht sitzen?“
    „Nein. Er hat kein Rückenmark mehr.“
    Kein Rückenmark! Welch ein Unsinn! Daß ich ihn soeben in einer sehr energischen Stellung gesehen hatte, verschwieg ich, denn ich hielt es nicht für geraten, den Moslem zum Mitwisser eines Geheimnisses zu machen, welches ich freilich selbst nicht wußte, ja kaum nur ahnte.
    Nach kurzer Zeit erreichten wir die Stadt. Ich hatte den Türken nach den bereits erwähnten heißen Quellen befragt und von ihm erfahren, daß dieselben allerdings vorhanden seien, aber nicht in der Weise, wie ich es erwartet hatte. Es hatte Zeiten gegeben, in denen das Wasser derselben sehr reichlich geflossen war, um aber dann wieder fast zu versiegen. Zuweilen war heißes Wasser in Menge vorhanden, und dann wieder stockte der Ausfluß gänzlich. Jetzt sollte es nur sehr karg vorhanden sein.
    Als wir die ersten Häuschen oder vielmehr Hütten der Stadt vor uns hatten, sagte der Herbergsvater:
    „Effendi, hast du vielleicht Lust, dir die heißen Quellen gleich jetzt anzusehen?“
    „Liegen sie am Weg?“
    „Nein. Aber wir haben nur wenige Schritte zu reiten um zu ihnen zu gelangen.“
    „So führe uns hin!“
    Er lenkte zur Seite ab, und wir ritten um einige der Hütten und um die zu ihnen gehörigen Gärtchen, welche aber diesen Namen keineswegs verdienten, herum.
    Ein lautes Kreischen einer weiblichen Stimme drang zu uns.
    „Da ist die Quelle“, nickte unser Führer.
    „An welcher man sich so zankt?“
    „Ja. Du mußt nämlich wissen, daß man glaubt, das Wasser sei sehr gut gegen gewisse Krankheiten. Wenn nun wenig fließt, so streiten sich die Frauen miteinander, welche gekommen sind, es zu holen.“
    Wir bogen um ein Oleandergebüsch und hielten nun vor der Therme.
    Der Lauf des Wassers war durch ein Rinnsal bezeichnet, dessen ockerfarbiger Grund darauf schließen ließ, daß die Quelle eisenhaltig sei. Heute war nur wenig Wasser in demselben zu sehen. Es kam aus einer kreisrunden Vertiefung des Erdbodens, welche mit demselben roten Niederschlag belegt war. Die rundum zusammengetretene Stelle bewies, daß dieser Ort sehr fleißig besucht wurde.
    Am Rand der Vertiefung lagen Steine, welche wohl herbeigeschafft worden waren, um als Sitze zu

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