Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
war hoffnungslos. Der Schlag mit dem Kolben hatte meinen Hinterkopf getroffen. Ich bin weder Anatom noch Pathologe; ich weiß die möglichen Wirkungen eines solchen Krafthiebes nicht aufzuzählen. Ich besaß Gehör und Geruch; vielleicht auch Gesicht und Geschmack; aber daß die Bewegungsnerven versagten, das schrieb ich diesem Hieb zu. Würden sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, und zwar so schnell, wie es in meiner Lage notwendig war?
    Und selbst wenn dies der Fall sein sollte, wozu ich bei meiner robusten Körperbeschaffenheit doch Hoffnung hatte, blieb mir sehr wenig Aussicht, mich dem mir drohenden Schicksal zu entziehen. Ja, wenn meine Gefährten in der Nähe gewesen wären! Wenn wenigstens mein braver Halef eine Ahnung von der mir drohenden Gefahr gehabt hätte! Aber dies war doch nicht der Fall.
    Es überkam mich ein Gefühl, von welchem ich nicht weiß, ob es Wut oder Verzweiflung zu nennen ist; vielleicht ist das erstere richtig, denn ich habe stets gewußt, daß Gott auch dann, wenn die Uhr zum zwölften Stundenschlag ausholt, noch helfen kann. Ich ballte die Fäuste; ich preßte den Atem in die Lungen zurück, als ob ich mich freiwillig ersticken wolle; ich spannte alle Fasern an, die ich überhaupt in der Gewalt hatte, und da – da ging es wie ein gewaltiger Ruck durch meinen Körper: ich konnte die Arme bewegen, die Beine, den Nacken und – Gott sei Dank! – auch die Augenlider.
    Zwar hütete ich mich sehr, dies merken zu lassen; aber ich prüfte nach und nach alle Glieder durch. Es ging nicht leicht; der Kopf war wie zerschlagen. Ich mußte mich wirklich anstrengen, um logisch zu denken, und in den Extremitäten hatte ich das Gefühl, als seien sie mit Blei angefüllt; aber ich hoffte doch, mich gegebenen Falles erheben und einigermaßen verteidigen zu können. Vielleicht wich die Lähmung schneller noch, als es jetzt den Anschein hatte. Und sodann vertraute ich dem Einfluß des Augenblicks und der Wirkung, welche ein fester Wille auf den ungehorsamen Körper auszuüben pflegt. So viel wenigstens stand fest, daß ich mich nicht lebendig begraben lassen würde.
    Ich blieb lang ausgestreckt liegen und schielte hinüber nach dem Feuer, welches auf dem Stein brannte. Dort saßen acht Männer, welche mit ihren Messern das Fleisch von den Knochen eines Schafes lösten und in großen Stücken zwischen die Zähne steckten. Unter ihnen befand sich der dicke Bäcker, der liebenswürdige Bettler und der ehrenwerte Urian, welcher sich mir als Führer nach Kabatsch angeboten hatte.
    So also hatte der Bäcker es gemeint, als er schwor, daß wir uns wiedersehen würden! Freilich hatte er wohl nicht gemeint, daß man mich erschlagen würde. Warte, du Fleischkloß, ich hoffe, es dir ‚schlagend‘ beweisen zu können, daß ich noch am Leben bin.
    Und mein famoser Führer hatte sich vortrefflich zu verstellen gewußt. Warum hatte er doch nur so besorgt zwischen die Bäume geblickt? Ah, da ging mir ein Licht auf! Als ich mich wartend hinter dem Haus des Färbers befand, hatte sich der Geselle entfernt. Er war von seinem Herrn ausgesandt worden, um die hier anwesenden Gentlemen zusammenzutrommeln und den Bettler von meinem Kommen zu benachrichtigen. Mein Führer hatte mich im Feld erwartet und dann befürchtet, daß wir dem Boten oder einem der sauberen Herren begegnen könnten, in welchem Fall ich ja leicht Verdacht schöpfen konnte. Der Färber-Bäcker hatte nur aus schlauer Berechnung mich mit dem Auftrag an den Bettler betraut. So war es und nicht anders!
    Und nun war er mit dem Waffenschmied und Kaffeewirt Deselim aus Ismilan hier. Er hatte diesen für heute oder morgen erwartet, und dieser gute Mann, der Schwager des ‚Schut‘, war just zur richtigen Minute gekommen, um sich durch die Bemächtigung meiner Person aus der ihm drohenden Gefahr zu befreien.
    Wie sollte ich ihnen entkommen? Acht gegen einen! Und dieser eine war gefesselt und gelähmt! Das Fensterloch war zu klein; kein Mensch konnte hindurch kriechen.
    Vorn in der Ecke lagen meine Waffen. Man hatte sie mir abgenommen und alles andere, was ich bei mir trug, natürlich dazu. Ich lag in Hemd und Hose auf dem Laubhaufen.
    Jetzt prüfte ich behutsam die Fesseln. Sie bestanden aus Riemen und waren fest. Hier war nichts zu tun. Bei größerer Anstrengung hätten sie mir doch nur die Haut zerschnitten. Ich sann und grübelte, um einen Rettungsgedanken zu finden – vergebens. Es gab nur eine Hoffnung, und diese war nicht viel wert: ich mußte mich

Weitere Kostenlose Bücher