15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
Augen gekommen. Er getraute sich nicht, den Blick zu erheben, und blieb zitternd an der Tür stehen.
„Komm herbei, hierher an die Seite des Hauses“, gebot ich ihm. „Diese beiden tapferen Männer werden einstweilen wachen, daß deine Gefährten nichts Feindseliges gegen uns unternehmen.“
„Sie werden ruhig in der Hütte bleiben“, versicherte er.
„Das hoffe ich um deinetwillen! Es soll dir nichts geschehen, aber bei dem geringsten Versuch ihrerseits würde ich dir dieses Messer zwischen die Rippen stoßen.“
Ich sagte das in drohendem Ton und zeigte ihm dabei mein Messer.
Der Färber fuhr sich sofort mit beiden Händen erschrocken nach der Magengegend und rief:
„Herr, bedenke, daß ich Familienvater bin!“
„Hast du, als du mich den Mördern überliefertest, etwa nach meiner Familie gefragt? – Komm!“
Ich faßte ihn bei der Hand und zog ihn um die Ecke. Dort standen Halef und Ali, der Sahaf.
„O Wunder Allahs!“ rief der Hadschi. „Welch ein Fleischklumpen ist dieser Mensch! Legt er auch mehrere tausend Eier in der Stunde?“
Der Färber fand gar keine Zeit, auf diese ihm jedenfalls unbegreifliche Frage zu achten. Er erblickte den andern und rief erschrocken:
„Ali, der Sahaf!“
„Ja, dein Schwiegersohn, den du gewiß mit Freuden erwartest“, antwortete ich. „Gib ihm die Hand und begrüße ihn, wie es zwischen solchen Verwandten schicklich ist!“
Ich meinte, daß er sich weigern werde, aber er streckte dem Sahaf ohne Zögern die Hand entgegen. Der Gruß geschah wortlos; dann sagte ich auf den Boden deutend:
„Setze dich, Boschak! Unsere Verhandlung kann beginnen.“
Er blickte verlegen vor sich nieder und sagte:
„Wie will ich dann wieder aufstehen?“
Da legte der kleine Hadschi die Hand an seine Nilpferdpeitsche und sagte:
„Hier, o König aller Dicken, ist ein gutes Mittel zum schnellen Niedersetzen und Aufstehen. Wir haben dir keinen Diwan mitgebracht.“
Im Augenblick plumpste der Bäcker wie ein Mehlsack auf die Erde nieder und bat mit flehender Stimme:
„Laß deine Peitsche im Gürtel; ich sitze ja schon!“
„Ja. Siehe, wie rasch dies gegangen ist! Ich hoffe, daß uns das andere ebenso schnell gelingen wird. Effendi, sage ihm, was du von ihm verlangst!“
„Ja, sage es mir!“ wiederholte der Dicke, vor Angst stöhnend.
„Ich verlange vor allen Dingen ein aufrichtiges Bekenntnis von dir!“ sagte ich zu ihm. „Bei der ersten Lüge, welche du mir machst, schicke ich dich in die Hütte zurück und lasse den Stareschin kommen. Ich bin ein Emir aus Germanistan; es ist keine Kleinigkeit, einem solchen Mann nach dem Leben zu trachten. Weißt du, was mit dir geschehen würde, wenn ich Anzeige machte?“
„Nein.“
„Du würdest vor den Richter geschleppt und zum Tode verurteilt werden.“
„Ja“, fiel Halef drohend ein. „Du würdest verkehrt an den Galgen gehängt, mit dem Kopf nach unten; sodann bekämst du drei große Flaschen Gift zu trinken, und endlich würde man dich enthaupten, auch verkehrt, nämlich von den Füßen herauf.“
Dem geängstigten Mann fiel es gar nicht ein, den von dem Hadschi vorgebrachten Unsinn zu bemerken; er faltete die Hände ineinander und stieß hervor:
„W' Allah! Das werdet ihr doch nicht tun!“
„Wohl werde ich es tun, wenn du mir deine Zustimmung verweigerst“, erwiderte ich. „Also antworte mir jetzt! Du hast mir deine Einwilligung für den Sahaf und Ikbala nur scheinbar gegeben?“
„Nein – – – ja, ja“, fügte er schnell hinzu, als er meine drohende Miene bemerkte.
„Du hast dann deinen Gehilfen fortgeschickt, um die Männer, welche sich jetzt in der Hütte befinden, zusammenzurufen?“
„Ja.“
„Sie sollten mich töten?“
„Das habe ich ihnen nicht sagen lassen!“
„Aber unschädlich sollte ich gemacht werden?“
„Ja – Ja!“
„Nun, das ist ganz dasselbe, wie getötet! Ferner: die Teppiche, welche in dem Gestrüpp liegen, befinden sich gegen den Willen der Obrigkeit dort?“
„Nein – ja, ja, Herr!“
„Nun, so höre! Ich sollte euren Mordanschlag anzeigen; ich sollte auch dem Kiaja sagen, wo sich die Teppiche befinden. Das erstere will ich euch verzeihen; das letztere brauche ich nicht zu tun, weil ich ein Fremder bin. Aber ich werde dem Sahaf von dem Teppichlager erzählen; er mag dann tun, was seine Pflicht als Untertan des Padischa ist.“
„O, Herr, erzähle ihm nichts!“
„Er wird es erfahren, ganz gewiß! Nun kommt es auf dich an, ob er als dein Feind
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