15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
Ruru würden keine große Wirkung hinterlassen, aber die Keksdose konnte sie vielleicht stoppen. Ich ließ den Rucksack von meiner Schulter gleiten und hielt ihn an den Riemen in der Hand. So konnte ich ihn besser schwingen.
Wenn ich nicht so sehr mit einer möglichen Flucht Brees beschäftigt gewesen wäre, hätte ich meine einsame Wanderung sicherlich genossen. Das Wetter war herrlich, und der Park war nicht ausschließlich Blumen vorbehalten. Der Weg führte mich an einem Lilienteich, einem Krocketrasen, einem Bowling Green und einer Tennisanlage entlang. Er schlängelte sich zwischen Bäumen hindurch, die mit herrlichen Frühlingsblüten geschmückt waren, vorbei an klassischen Rosengärten, in denen allerdings noch nichts blühte. Und jedes Mal, wenn ich den Kopf hob, sah ich Lake Wakatipu durch das Grün glitzern.
Hinter dem Rosengarten ragte ein gewaltiger grauer Felsblock auf, in den zwei Marmortafeln eingelassen waren. Darüber waren fünf weiße Sterne in jener Konstellation angeordnet, die Entdecker über lange Jahrhunderte hinweg geleitet hatte: das Kreuz des Südens. Ich betrachtete es versonnen und erinnerte mich an das Versprechen, das Cameron mir in Ohakune gegeben hatte. Er hatte recht behalten.
Den Felsblock umgaben Rabatten mit melancholischen purpurfarbenen Blumen und in zweiter Reihe eine niedrige Hecke, die von mehreren kurzen Granitsäulen unterbrochen wurde. Mit dem Rücken an eine dieser Säulen gelehnt saß ein Mädchen im Gras und las in einer zerfledderten Ausgabe von Die Rückkehr des Königs, dem dritten Band von Tolkiens Trilogie. Sie trug Jeans, Sneakers und ein schwarzes Tank Top. Ein Anhänger aus Grünstein mit dem vertrauten Farnmuster hing um ihren Hals, und neben ihr lagen ein dunkelblaues Kapuzen-Sweatshirt und eine Büchertasche aus Baumwolle.
Ich erkannte sie sofort. Das stachelige Haar, die Tätowierungen und die Piercings konnten nichts an Brees dunkler Schönheit ändern. Angelo hatte recht gehabt, dachte ich. Das Mädchen könnte sich eine Glatze schneiden lassen und wäre noch immer eine Wucht.
» Entschuldigung«, sagte ich leise. Ich wollte sie nicht erschrecken.
Bree hob ihr herzförmiges Gesicht. Ihre zierliche Figur ließ sie jünger als achtzehn wirken, aber als ich in ihre schimmernden braunen Augen blickte, schien mich jemand anzusehen, der vergessen hatte– oder nie erfahren hatte–, wie es ist, jung zu sein.
» Tut mir leid, wenn ich dich bei deiner Lektüre unterbreche«, sagte ich.
» Das macht nichts.« Sie richtete sich auf und klappte das Buch zu. » Wollen Sie das Denkmal fotografieren? Ich kann woanders lesen.«
» Es geht nicht um das Denkmal«, sagte ich und bedeutete ihr, sitzen zu bleiben. » Mein Name ist Lori Shepherd. Ich möchte mit dir sprechen.«
Brees Augen verengten sich, und ich umklammerte die Riemen meines Rucksacks, aber zu meiner Erleichterung schien sie eher neugierig als feindselig.
» Woher wussten Sie, wo Sie mich finden können?«, fragte sie.
» Ich war in der Southern Lakes Gallery«, antwortete ich. » Gary Whiterider hat mir gesagt, wo du bist.«
» Sind Sie Amerikanerin?«, fragte sie.
» Ja, aber ich lebe in England.«
Bree steckte das Buch in ihre Tasche und lehnte sich gegen die Granitsäule. » Warum sollte eine Amerikanerin, die in England lebt, mit mir sprechen wollen?«
» Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte ich. » Aber es gibt ein paar Dinge, die ich dir vorher mitteilen muss.« Ich ließ meinen Rucksack auf den Rasen gleiten und setzte mich neben Bree. » Vor ein paar Tagen habe ich dich in deiner Wohnung in Auckland gesucht. Während ich dort war, kam eine Krankenschwester aus dem North Shore Hospital vorbei. Es war die Schwester, die sich um deinen Vater kümmerte, während er auf der Intensivstation lag.«
» Ist er tot?«, fragte sie völlig emotionslos.
Ich nickte. » Es tut mir leid.«
Bree seufzte leise und senkte den Kopf. » Hat er nach mir gefragt, bevor er starb?«
» Ja«, antwortete ich. » Die Schwester hat mir berichtet, dass er wiederholt nach dir gefragt hat. Als er begriff, dass du nicht mehr kommen würdest, bat er sie, dir eine Nachricht zu übermitteln. Er wollte dir sagen, dass ihm alles sehr leid tut.«
» Wieder einmal«, murmelte Bree mit einem bitteren Lachen.
» Die Schwester wäre sehr froh, wenn du sie so bald wie möglich anrufst«, fuhr ich fort. » Sie hat die persönlichen Dinge deines Vaters und muss wissen, was mit seinen… sterblichen Überresten
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