1502 - Am Abgrund zur Hölle
sollten wir Ihren Mann fragen, aber ich glaube kaum, dass wir eine Antwort erhalten werden. Er befindet sich noch immer in einem etwas anderen Zustand.«
Sie nickte. »Ich begreife das alles nicht. Soll ich ihn noch mal ansprechen?«
»Versuchen Sie es.«
Für Suko und mich stand fest, dass wir erst die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten. Es würde weitergehen, und irgendwie mussten wir es schaffen, Earl Digger aus seiner Reserve zu locken, sonst kamen wir keinen Schritt weiter.
Kate ging jetzt härter vor. Sie fasste ihn an beiden Schultern und rüttelten ihn durch. Es passierte zunächst nichts. Sein Kopf bewegte sich haltlos hin und her. Er gab auch keinen Laut von sich, bis Mrs Digger es leid war und ihn anschrie.
»Wach endlich auf, Earl! Ich bin es - Kate! In Gottes Namen, wach auf!«
Genau der Satz hatte gefehlt. Ob es der Begriff Gott war, der ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, wussten wir nicht. Aber er änderte sein Verhalten. Mit dem Oberkörper zuckte er hoch. Ein Schrei stieg aus seiner Kehle. Zugleich bewegte er die Arme so hektisch und unkontrolliert, dass Kate dem Schlag nicht mehr ausweichen konnte. Sie wurde zwar nicht voll getroffen, doch es reichte, dass der Handrücken des Mannes ihre Lippen streifte. Blut quoll hervor, und Kate Digger taumelte zurück, wobei sie den Namen ihres Mannes flüsterte.
Es war die Reihe an uns, einzugreifen.
Der nicht eben schmächtige Mann sprang in die Höhe. Das war auf der weichen Unterlage nicht so einfach, aber er kam hoch, er sah uns, stand, schwankte auf seinen Füßen und hatte den Mund weit aufgerissen, damit er uns anbrüllen konnte.
Ich wusste nicht, was wir ihm getan hatten, aber er wollte uns aus dem Weg räumen.
Ausgerechnet Suko wurde von ihm angesprungen. Viel bewegen konnte sich der Inspektor auf dieser schmalen Fläche nicht, die ihm blieb, aber er war ein Kämpfer, der sich in jeder Lage zurechtfand.
Der Mann befand sich noch im Sprung, als Suko bereits zuschlug. Es ging blitzschnell und war mit den Augen kaum zu verfolgen, als er die Arme nach vorn stieß und wieder zurückzog, um fast in derselben Sekunde von vorn zu beginnen.
Die Schläge trafen Earl Digger an der Brust, aber auch sein Hals wurde nicht verschont, und all diese Schläge erwischten ihn noch in seiner Position über dem Bett. Er kippte nach hinten und landete auf dem Rücken. Stöhnend blieb er liegen und dachte nicht mehr daran, sich zu erheben. Bewusstlos war er nicht. Suko kannte seine Schläge, und er hatte daran gedacht, dass wir den Mann noch brauchten.
Kate Digger hatte alles mit ansehen müssen. Sie stand auf der Türschwelle. Den Mund hatte sie wieder geschlossen. Sie presste ihr Taschentuch gegen die Lippen.
»Was haben Sie mit ihm gemacht?«, flüsterte sie unter dem Tuch hervor.
Suko winkte ab. »Keine Sorge, Ihrem Mann ist nichts passiert. Wir mussten ihn nur ruhigstellen und hoffen, dass er uns jetzt einige Fragen beantworten kann.«
»Meinen Sie denn, dass er das kann?«
»Wir werden es versuchen«, sagte Suko. Er schaute mich an, und ich gab durch mein Nicken zu verstehen, dass ich damit einverstanden war.
Earl Digger lag auf dem Bett. Er atmete keuchend, und seine Haut schien noch mehr von diesem starken Geruch auszuströmen als zuvor.
Die grüne Farbe im Gesicht war geblieben. Sie hatte sich auch nicht aus den Pupillen zurückgezogen.
Ich beugte mich ihm von der linken Seite her entgegen und stellte ihm die erste Frage.
»Können Sie mich hören, Earl?«
»Ja, kann ich.«
Es war zwar keine freundliche Antwort, aber er hatte etwas gesagt, und das empfand ich schon mal als positiv.
»Gut, da Sie mich hören können, will ich wissen, was mit Ihnen geschehen ist. Sie sollten es uns erzählen. Und meine erste Frage lautet: Wo sind Sie gewesen?«
Jeder von uns war gespannt darauf, ob er wieder die Hölle erwähnte, und wir wurden nicht enttäuscht.
»Ich war da.«
»Wo?«
Plötzlich funkelten seine Augen. »Am Abgrund«, flüsterte er und präzisierte: »Ich stand am Abgrund der Hölle. Ich habe hineingeschaut. Ich habe die Hölle gesehen.«
»Und wie sah sie aus?«
»Nicht leer. Sie war voll.« Er fing an zu lachen. »Ich sah das grüne Licht, das über mich kam. Ich sah sie dort liegen, all die Gestalten. Skelette, Totenschädel, aber auch die anderen, die in diesem Totenreich noch am Leben waren. Ja, in der Hölle gibt es nicht nur Tote. Es halten sich darin auch welche auf, die noch leben und sie bald verlassen werden. Ich bin eine
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