1504 - Mordgeschichten
flüsterte: »Warum tust du das alles hier? Was ist der Grund? Du lässt mich schreiben, das weiß ich. Aber was steckt wirklich dahinter? Oder willst du nur zusehen, wie ich die Romane…«
»Nein, das will ich nicht.«
»Was dann?«
»Deine oder meine Geschichten sind gut. Sie sind spannend. Sie sind brutal. Sie beinhalten einen bestimmten Horror, aber sie sind zu theoretisch, und das sollen sie nicht mehr bleiben.«
»Wieso…?«
»Das ist sehr einfach. Alles, was in deinen Romanen passiert, wird sich in der Realität wiederholen.«
Jetzt war es heraus, aber Mike saß da wie ein Schüler, der seinen Lehrer nicht richtig verstanden hatte. Er starrte den Besucher zwar an, aber er glotzte zugleich ins Leere.
»Was sagst du dazu?«
»Ich weiß nicht«, flüsterte Mike, »ich weiß es wirklich nicht, was ich dazu sagen soll. Es ist mir alles zu fremd. Ich glaube, dass ich damit meine Probleme habe…«
»Warum?«
»Weil das nicht sein kann.«
»Ach?« Das eine Wort klang spöttisch.
»Meinst du wirklich? Schätzt du mich als so lügnerisch ein? Das kann ich nicht glauben. Ich setze alles in die Tat um, was ich mir vorgenommen habe. Ich bin zu dir gekommen. Ich bin existent, und ich kann dir sagen, dass ich schon meine Zeichen gesetzt habe. Es hat die ersten Toten gegeben. Zwei junge Menschen liegen auf zwei Betten. Erstochen durch den Stahl eines Brieföffners…«
»Mein Gott!«, keuchte Mike.
»Fällt es dir wieder ein?«
Das Gesicht des Autors war totenblass geworden. Ja, ihm war diese Szene wieder eingefallen. Er selbst hatte sie geschrieben. Sie war sehr grausam gewesen, und jetzt…
»Dir geht ein Licht auf, nicht wahr?«
»Das stimmt«, flüsterte Mike. »Ich glaube, dass ich Bescheid weiß. Du hast sie…«
»Ja, ich habe sie getötet. Und zwar so, wie es in deinem Buch gestanden hat. Und ich bin auch noch weitergegangen. Kannst du dich an den Namen Ramona Gibbs erinnern?«
»Sehr gut. Sie leitete einen Kindergarten.«
»Das stimmt. Und du weißt auch, was sie getan hat?«
»Sie legte Feuer.«
»Perfekt.«
Als Mike das nachfolgende Lachen hörte, da wusste er Bescheid. Da war ihm klar geworden, dass der böse Engel auch dies in die Tat umgesetzt hatte. In seiner Geschichte waren zahlreiche Kinder verbrannt, die genaue Zahl war ihm nicht mehr präsent, aber die Vorstellung daran, dass die Kinder in der Wirklichkeit…
»Sind sie verbrannt? Hast du die Frau Feuer legen lassen? Hast du das wirklich getan?«
»Sicher. Oder zweifelst du daran?«
Mike senkte den Kopf. »Jetzt nicht mehr!«, murmelte er. »Nein, jetzt nicht mehr.« Er wollte nicht hinhören, was Aaron weiterhin sagte. Nur war die Stimme so laut geworden, dass er ihr nicht entkommen konnte, und sie sagte auch etwas ganz anderes.
»Es hat nicht ganz geklappt. Zwar brannte der Kindergarten, aber es sind keine Kinder gestorben. Jemand kam und konnte es verhindern. Ramona Gibbs wurde festgenommen. Ja, die Kindergärtnerin aus deinem Roman, die es auch in der Realität gibt, denn ich habe mich zuvor umgeschaut und konnte dir die Namen einflüstern. Besser kann man es einfach nicht machen.«
Mike sagte nichts. Seine Kehle saß zu. Die Gedanken waren nicht mehr in der Lage, bestimmte Formulierungen zu produzieren. Er saß einfach nur da und starrte nach vorn.
Aber er kam gedanklich wieder zu sich. Die Barrieren, die ihn hinderten, verschwanden, und er erinnerte sich wieder an den Anruf seines Verlegers, der davon gesprochen hatte, dass Scotland Yard ihm auf der Spur war oder nach ihm gefragt hatte.
Es gab bestimmt Zusammenhänge. Die Polizisten waren nicht dumm.
Sie mussten durch ihre Recherchen herausgefunden haben, dass es zwischen den Vorfällen und seinen Büchern einen Zusammenhang gab.
Der Gedanke daran ließ sein Herz schneller schlagen, und er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg.
»Du bist aufgefallen, nicht?«, fragte er. »Man ist dir oder mir bereits auf der Spur. Man hat Zusammenhänge herausgefunden. Man kennt sich jetzt aus, und man wird verhindern, dass es zu weiteren Taten kommt. Ich weiß das genau, ich habe gehört, dass man sich schon nach mir erkundigt hat. Wir sind aufgefallen.«
»Na und?«
»Das ist eine Tatsache.«
»Vergiss sie. Und wenn irgendwelche Polizisten bei dir erscheinen sollten, werden sie keine Chance haben, am Leben zu bleiben. Das kann ich dir versprechen.«
Mike Raven wusste nicht, was er sagen sollte. Er schabte mit seinen Händen über den Stoff der Hosenbeine, und sein
Weitere Kostenlose Bücher