1507 - Das Blut-Juwel
»Was ist denn?«
»Komm! Du musst kommen, verdammt! Er ist da!«
»Was?«, schrie ich. »Wo?«
Als ich das fragte, stand ich bereits in der offenen Tür.
Die Antwort haute mich fast aus den Schuhen. »Er ist hier, John! Hier im Zimmer…«
***
Es gab den Vergleich mit der berühmten Salzsäule, zu der Lots Frau erstarrt war. So kam ich mir vor, als ich nach vorn in das Zimmer schaute, in dem Purdy Prentiss im Bett hockte und nicht mal mehr zu atmen wagte.
Ich schaute sie an und wagte nicht, eine Frage zu stellen. Sie hatte sich nicht allein von der Körperhaltung verändert, auch ihr Gesichtsausdruck war ein anderer geworden.
Ihre starren Augen schauten nicht mich an, sondern an mir vorbei, und ich drehte den Kopf, um das zu suchen, was sie offenbar sah.
Das Zimmer war leer, abgesehen von uns. Ich verstand sie nicht. Es gab kein Scheusal, keinen wahr gewordenen Albtraum. Aber ich sprach auch nicht dagegen, denn so hatte ich Purdy Prentiss noch nie erlebt. Sie war geschockt und völlig von der Rolle. Ihre Körperhaltung drückte die schlimme Angst aus, die sie empfand.
»Was ist denn?«
»Er ist hier…« In den Worten schwang eine schlimme Angst mit. »Und wo?«
Sie gab nur mit den Augen die Richtung an, und ich hätte ihn sehen müssen. Aber ich sah ihn nicht, verdammt!
»Er steht da und wartet!«
Es war für mich schwer, eine Antwort zu finden. Ich wollte die Staatsanwältin auch nicht als Lügnerin bezeichnen.
Ich merkte, wie sie zu zittern begann. Das Blut wich aus ihrem Gesicht, und noch bevor ich eine weitere Frage stellen konnte, fing sie an zu sprechen. Ihre Stimme überschlug sich dabei.
»Das grüne Monster mit dem fleckigen Gesicht. Es ist so grausam. Ich spüre seine Lust am Töten. Es - es - grinst mich an. Es weiß verdammt genau, was es will. John, das ist nicht normal. Es will mich haben, verstehst du das? Es will mich…«
»Ich verstehe, Purdy, aber ich muss dir eines sagen: Ich sehe das Monster nicht.«
»Nein…?«
»So ist es.«
»Was siehst du dann?«
»Nichts.«
Sie schrie auf, und es tat mir weh, als ich diesen Schrei hörte, denn in ihm klang Verzweiflung mit. Purdy konnte ihre Haltung nicht mehr einhalten. Sie zog den Kopf ein, sie rutschte aus ihrer sitzenden Haltung nach vorn, und sie hatte den Kopf nach rechts gelegt, um das Monster nicht aus den Augen zu lassen.
Ich sah es nicht.
Purdy Prentiss jedoch litt unter einer wahnsinnigen Angst. Sie rollte sich auf dem Bett zusammen, sie zog die Beine an, geriet in eine embryonale Haltung, bekam das Ende der Decke zu fassen und zerrte sie schließlich über ihren Kopf, um nichts mehr sehen zu müssen.
Ich fühlte mich so verdammt hilflos. Ich kam mir vor wie ausgesperrt und suchte noch immer verzweifelt nach dem Gegner. Dabei dachte ich nach. Sie sah das Monster. Ich sah es nicht.
Es konnte nur einen Grund dafür geben. Und den trug Purdy Prentiss an der Hand. Es lang einzig und allein an dem verdammten Ring. Er war es, der ihr die Augen öffnete, der sie durch die Magie des Blutsteins das sehen ließ, was mir verborgen blieb.
Das zu akzeptieren war für mich nicht leicht. Ich war es nicht gewohnt, außen vor zu stehen, doch jetzt war es der Fall. Ich konnte das Monster nicht sichtbar machen. Mein Kreuz reichte dafür nicht aus. Das reagierte nur bei anderen Kräften, und ich litt verdammt unter dieser Hilflosigkeit.
Es gab kein Ziel für mich, das ich hätte angreifen können, und auch als ich das Zimmer mit schnellen Schritten durchmaß, änderte sich nichts für mich.
Ich stand hier auf verlorenem Posten und war blass wie eine Kalkwand geworden.
Purdy hielt sich auch weiterhin unter ihrer Bettdecke versteckt. Ich vernahm ein jämmerliches Weinen, bis sie es sich anders überlegt hatte.
Sie schleuderte die Bettdecke in die Höhe und fuhr dann selbst hoch.
Und dabei fiel mir etwas auf. Der Ring glühte, als würde ein Feuer in ihm brennen. Aber er strahlte nichts ab. Er hatte sich magisch voll gesaugt, und wahrscheinlich war seine Kraft auf Purdy übergegangen. Sie teilte sich diese Macht mit ihrem Albtraum, der nur für sie sichtbar war.
Ich sprach sie nicht an und schaute zu, wie sie ihren Kopf hin und her schleuderte. Gesicht und Mund waren verzerrt, und sie keuchte die Worte, die ich nur mühsam verstand.
»Nein, nein, das ist vorbei! Ich werde nicht mit dir gehen, verflucht! Ich bin nicht mehr in Atlantis. Weg von mir! Lass mich endlich in Ruhe, verdammt noch mal!«
Ob er das tat, wusste ich nicht. In
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