1508 - Der Templerjunge
Teil der Müdigkeit.«
»Machen Sie doch ein Schläfchen«, schlug ich ihm vor.
»Nein, das auf keinen Fall. Wenn mich jemand schlafend hier im Zug findet und das meldet, gibt es Ärger, und den möchte ich mir ersparen.«
»Kann ich verstehen.«
»Aber Sie können die Augen schließen, Sir.«
»Mal schauen.«
Er wollte gehen und hatte sich schon halb erhoben, als er wieder zurück auf seinen Sitz fiel.
Ich hatte die Bewegung gesehen, mir aber nichts dabei gedacht. Dafür wunderte ich mich über Haggertys Kommentar.
»Komisch«, sagte er.
»Was ist denn komisch?«
»Der Zug wird langsamer.«
»Und?«
»Sie kennen sich nicht aus, Sir. Das ist nicht vorgesehen. Er muss hier mit normaler Geschwindigkeit durchfahren. Ich bin zwar nicht der Lokführer, aber so gut kenne ich mich schon aus.«
Ich wiegelte ab. »Kann es nicht sein, dass es auf der Strecke ein Problem gibt - Bauarbeiten oder so?«
»Nicht in der Nacht. Außerdem ist sie frei, das weiß ich. Der Zug kann natürlich mal langsamer fahren, aber ich habe das Gefühl, dass er bald zum Stehen kommt.«
»Warum sollte er?«
»Wenn ich das wüsste, ginge es mir besser, Mr Sinclair.«
Ich sagte nichts mehr, aber ich dachte daran, warum ich in diesem Zug saß. Sollte diese Verminderung der Geschwindigkeit etwas damit zu tun haben?
Noch waren die anderen Fahrgäste nicht unruhig geworden. Sie warteten ab, keiner stand auf, wie ich mit einem Rundblick feststellte, denn ich selbst hatte mich erhoben.
Draußen sah ich an meiner Seite nichts. Diesmal schimmerten auch keine Lichter in der Dunkelheit, die auch den Himmel bedeckte und keine Sterne erkennen ließ.
»Das gefällt mir nicht«, hörte ich den Schaffner sagen. »Nein, das ist nicht normal.«
Ich gab ihm keine Antwort und konzentrierte mich auf das Fahren. Das Tempo nahm immer mehr ab, und es würde nicht mehr lange dauern, bis wir standen.
Innerlich zählte ich bereits die Sekunden, und dann war es plötzlich so weit.
Unser Zug blieb auf freier Strecke stehen!
***
Für Ossy Stuart war es ein Wunder, dass er seinen Mund nicht weit aufriss und zu schreien begann. Er saß wie festgeklebt auf seinem Platz und schielte nach rechts, wo tatsächlich der Junge stand, den er für einen kurzen Moment auf den Schienen gesehen hatte.
Der Lokführer hatte jetzt die Gelegenheit, sich den Jungen genau anzuschauen.
Er schätzte ihn auf ungefähr zwölf Jahre, und er war ganz anders gekleidet als die Jungen sonst in seinem Alter.
Er trug eine braune Weste. Darunter ein helles Hemd mit weit geschnittenen Ärmeln und eine blaue Hose, über deren Gürtel der Saum des Hemdes hing.
Das Gesicht war klar und offen. Die braune Farbe der Haare wiederholte sich in den Pupillen, und dem Lokführer fiel der sehr ernste Blick auf, der für ein Kind seines Alters auch ungewöhnlich war.
Wie viel Zeit seit dem Erscheinen der kleinen Gestalt vergangen war, wusste der Lokführer nicht. Er wusste nur, dass er eine Frage stellen musste, und brachte sie auch hervor.
»Was - was - willst du hier?«
Als Antwort erhielt er nur den ernsten Blick.
»Wo kommst du her?«
Jetzt sprach der Junge. Er bewegte seine Lippen dabei nicht. Und doch vernahm Ossy Stuart die Stimme.
»Ich möchte dich warnen. Dich und deine Fahrgäste. Du musst den Zug anhalten.«
»Was muss ich?«
»Ihn stoppen.«
Stuart begriff es nicht richtig. »Wann denn?«
»Jetzt, sofort. Es ist besser so, das musst du mir glauben. Stopp den Zug. Lass es nicht zu einer Katastrophe kommen. Ich bitte dich darum. Bitte!«
Ossy Stuart begriff nichts mehr. Ein Blick in dessen Augen sagte dem Lokführer jedoch, dass der Junge nicht hier erschienen war, um seine Scherze zu treiben. Es war ihm todernst.
»Und warum soll ich den Zug stoppen?«
»Tu es einfach. Keine Fragen mehr. Es wird Zeit für dich - wirklich. Denk an die Menschen!«
Mehr sagte der ungewöhnliche Junge nicht. Stattdessen nickte er Ossy zu und drehte sich um.
Der Lokführer bekam wieder große Augen. Er wollte noch etwas fragen, aber es war zu spät dafür. So konnte er nur zuschauen, wie der Junge plötzlich verschwand, und dies tatsächlich ausgesehen hatte, als wäre er durch die offene Tür ins Freie getreten.
»Ich - ich - ich - nein, das ist - ich bin doch nicht verrückt!«
Ossy fehlten einfach die Worte, um diese Begegnung entsprechend zu kommentieren. Er wollte es nicht einsehen, er konnte es nicht begreifen, aber er wurde wenig später mit einem weiteren Phänomen konfrontiert, denn
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