1510 - Der Hexenbrunnen
Lage, sich darauf eine Antwort zu geben.
Bitteres Blut! Bitter wie Galle!
So etwas hatte sie bei einem Menschen noch nie erlebt. Das war bisher einmalig, und sie dachte daran, dass es sie in den letzten Stunden knüppeldick getroffen hatte. Zuerst als Opfer des steinernen AibonDrachen und jetzt diese Frau, die auch völlig aus dem Rahmen fiel und Justine ins Grübeln gebracht hatte.
War das noch normales Blut, das in Lucys Adern floss? Sie wollte es nicht mit einem Ja beantworten. Blut schon, aber nicht normal. Eine andere Flüssigkeit, und ihr kam der Vergleich mit einer Säure oder etwas Ähnlichem in den Sinn.
Ein bitterer Lebenssaft. Einfach widerlich. Nur zum Ausspeien. Justine war eine Person, die zudem menschlich dachte, und ihr fiel etwas Bestimmtes ein.
Es musste einen Zauber geben, der dafür sorgte, dass diese Person zwar aussah wie ein Mensch, innerlich allerdings eine ganz andere war.
Eine Dämonin?
Jemand, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen hatte, um hier etwas Besonderes zu schaffen? Zusammen mit anderen Frauen, versteckt in einem Wald?
Justine konnte sich noch keine Antwort darauf geben, nur stand für sie schon jetzt fest, dass sie nicht aufgeben würde. Sie würde weitermachen, sie musste herausfinden, was hier passiert war, und der Spur des bitteren Blutes nachgehen.
In ihrer Umgebung hatte sich nichts verändert. Es gab nur die nächtlich Stille des Waldes. Keine Stimmen mehr, auch keine verdächtigen Geräusche.
Als sich auch nach einer gewissen Wartezeit nichts gerührt hatte, fasste sie den Entschluss, diesen Ort zu verlassen. Sie dachte nicht groß darüber nach, wohin sie gehen sollte. Es gab nur ein Ziel für sie. Justine wollte erst einmal das Motorrad finden, von dem sie auf eine hinterhältige Art gerissen worden war.
Nach dem dritten Schritt knickte sie mit dem rechten Bein weg. Es lag an ihrem Fuß, den sie nicht mehr normal aufsetzen konnte. Es stachen zwar keine Schmerzen in ihrem Bein hoch, aber es behinderte sie schon.
Justine hielt an. Sie stützte sich mit einer Hand am Baumstamm ab und hob ihren rechten Fuß an. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Sie hatte ihn sich verknackst und dabei auch verdreht. So wollte sie auf keinen Fall loslaufen. Deshalb ließ sie sich auf dem Boden nieder, winkelte das rechte Bein an und beschäftigte sich mit ihrem Fuß.
Ein Problem war es nicht für sie. Was einen Menschen zum Schreien gebracht hätte, reichte bei ihr nicht mal für ein Zucken der Lippen. Sie verspürte keinen Schmerz, aber sie hörte das Knacken im Fuß, das beim Einrenken entstand.
Die Vampirin stellte sich wieder hin, trat einige Male auf und war mit sich zufrieden. Sie konnte wieder normal laufen, und sie würde sich jetzt um die BMW kümmern.
Die Maschine lag irgendwo im Wald. Justine ging bis zur Straße und blieb dort erst mal stehen. Dabei holte sie sich die Szene noch mal in ihr Gedächtnis zurück, und nach kurzem Nachdenken stand für sie fest, wo sie mit der Suche anfangen musste.
Die BMW war schräg über die Straße gerutscht, hatte dann eine Schneise in das Unterholz geschlagen, wo sie sehr bald von einem Hindernis gestoppt worden war. Etwas anderes kam für sie nicht infrage.
Justine machte sich auf die Suche. Es gab kein Licht. Auch der Scheinwerfer der Maschine musste in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Sie selbst besaß auch keine Lampe, doch wiederum kam ihr das Vampirsein zugute, denn in der Dunkelheit sah sie besser als ein normaler Mensch, und so dauerte es nicht lange, bis sie fündig wurde.
Die BMW war gar nicht mal so tief in den Wald hineingeschleudert worden. Sie war durch das Unterholz gepflügt und dann gegen einen durch den letzten Sturm gefällten Baum gerammt. Dabei hatte sie sich noch überschlagen und lag nun auf der Seite.
Die Cavallo bückte sich und hob die Maschine an. Schon beim ersten Blick stellte sie fest, dass da nichts mehr zu machen war. Die BMW war mit großer Geschwindigkeit gegen den Baumstamm geprallt. So war von ihr nur ein Haufen verbogener Schrott zurückgeblieben. Auch den Tank hatte es erwischt. Dort lief der Sprit aus und sickerte in den weichen Waldboden ein.
Justine fluchte. Ihren Plan konnte sie vergessen. Mit diesem Haufen Schrott würde sie nicht bis London kommen. Sie würde einen anderen Weg finden müssen.
Erst mal raus aus dem Wald.
Über ihr Lippen huschte ein kantiges Lächeln. Sie war froh, dass Sinclair und Suko nichts von ihrem Pech mitbekommen hatten, aber abschreiben wollte sie die
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