1511 - Der letzte Engel
Geschichten gewöhnt sind. Was ich Ihnen jetzt erzähle, gehört zu den unglaublichsten.«
»Da bin ich gespannt.«
Ich trank die Flasche fast leer, bevor ich weiter sprach. Dabei ließ ich nichts aus, und Sir James war ein guter Zuhörer. Das war schon immer der Fall gewesen. Es drängte ihn zwar, Zwischenfragen zu stellen, das entnahm ich seinem Schnaufen, aber er wartete bis zum Schluss, bevor er sprach.
»Das ist in der Tat kaum zu fassen.«
»So sehe ich das auch, Sir.«
»Und weiter?«
»Ich kann nichts tun. Ich werde hier auf diesen X-Ray warten, der mich zu seinem Zeugen erkoren hat.«
»Auch das ist unglaublich. Wissen Sie denn mittlerweile mehr über ihn?«
»Nein, ich weiß nur, dass ich das Mittel zum Zweck bin. Er hat etwas aufzuarbeiten. Er muss irgendwann einen Fehler begangen haben, der ihn in die Situation gebracht hat, in der er sich jetzt befindet. Und diesen Fehler will er mit meiner Hilfe korrigieren.«
»Sie haben davon gesprochen, dass er ins Licht wollte.«
»Genau.«
»Und was ist dieses Licht, John? Haben Sie da vielleicht eine Ahnung?«
»Nein. Da kann ich nur raten. Die Welt der normalen Engel? Oder eine Dimension davon? Ich weiß es nicht genau. Wobei ich hoffe, dies bald herausfinden zu können.«
»Gut, das ist jetzt Ihre Aufgabe. Ziehen Sie diese durch. Leider haben wir noch ein Problem. Suko.«
»Genau, Sir.«
»Haben Sie sich darüber schon Gedanken gemacht?«
»Auch wenn Sie mich steinigen, ich bin noch nicht dazu gekommen. Ich habe ihn an diesem Hexenbrunnen zurücklassen müssen, aber er steht nicht allein dort. Justine Cavallo befindet sich bei ihm.«
»Ach, hören Sie mir doch auf mit dieser widerlichen Blutsaugerin. Sie wissen, dass ich sie nicht ausstehen kann.«
»Wer kann das schon? Aber es gibt sie nun mal, und ich bin auch schon froh gewesen, dass es so ist.«
»Ja, das ist alles nachvollziehbar für mich. Sind Sie denn der festen Überzeugung, dass sie auf Sukos Seite steht?«
»In diesem speziellen Fall schon, denn die Hexen wollten sie in den Kessel mit dem kochenden Öl werfen. Das ist ihnen nicht gelungen. Die Cavallo lässt sich so etwas nicht gefallen. Sie schlägt zurück, und damit steht sie dann auch auf Sukos Seite.«
»Wollen wir das so sehen, John, und dabei hoffen, dass es Suko und die Cavallo schaffen.«
»Das denke ich auch.«
»Und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?«
Ich lachte leise in den Hörer, bevor ich fragte: »Gibt es die denn, Sir?«
»Warum nicht?«
»Die andere Seite hat Pläne. Sagen wir mal so: Ich fühle mich als Mensch an der langen Leine eines seltsamen Engels. Deshalb muss ich warten, was er sich ausgedacht hat.«
»Ein Spaß wird das nicht sein.«
»Sie sagen es, Sir. Ich kenne zwar sein Vorhaben, aber ich bin nicht darüber informiert, wie er es in die Tat umsetzen will. Da muss ich leider passen.«
»Gut, John, dass Sie mich angerufen haben, auch wenn die Neuigkeiten nicht eben positiv waren. Ich gehe davon aus, dass Sie und Suko die Fälle meistern können. Und mit Engeln sind Sie ja immer schon gut zurechtgekommen.«
»Bis auf einige Ausnahmen schon.«
»Das ist doch schon mal was. Ich werde im Club erwartet und muss das Gespräch leider beenden.«
»Viel Spaß dann, Sir.«
»Den werde ich wohl kaum haben, denn meine Gedanken werden sich um etwas anderes drehen, wie sie sich vorstellen können.«
»Natürlich.«
»Und lassen Sie sich von dem Engel nicht fertigmachen.«
»Keine Sorge, das bekomme ich schon hin.«
Ich legte das Telefon zur Seite, trank auch den Rest aus der Flasche, stand auf und brachte sie in die Küche. Danach begab ich mich ins Bad, machte mich ein wenig frisch, und als ich in den Spiegel schaute, hätte ich mich nicht gewundert, wenn im Hintergrund plötzlich der seltsame Engel aufgetaucht wäre.
Ich sah ihn nicht. Bis ich das Wohnzimmer betrat, denn da saß er plötzlich in dem Sessel, in dem ich zuvor meinen Platz gefunden hatte.
X-Ray hatte die Beine übereinandergeschlagen und stellte eine Frage, die nur aus einem Wort bestand. »Bereit?«
Ich fragte ebenso knapp zurück. »Wofür?«
»Um gute Taten zu vollbringen.«
»Dazu bin ich immer bereit. Das sollte eigentlich auch jeder Mensch sein. Aber bei dir bin ich skeptisch. Es kann durchaus sein, dass wir unterschiedliche Meinungen haben, was die guten Taten angeht.«
»Meinst du?«
»Man hat dich schließlich ausgestoßen, und das ist nicht grundlos geschehen. Das ist meine Meinung.«
»Ja, weil du die andere Seite
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