1515 - Die Balkan-Bestie
nach vorn, wir schauten auch, was sich rechts und links von uns tat, aber Bewegungen gab es dort nicht. Es waren zudem keine verdächtigen Laute zu hören.
Vor uns wurde es etwas heller. Das zeigte uns an, dass wir den Waldrand bald erreicht hatten.
Schon innerhalb dieses Gebiets hatten wir bemerkt, dass sich das Tageslicht verändert hatte. Die Sonne war noch weiter nach Westen gewandert und war dabei, sich zu verabschieden. Sie sank tiefer, hatte eine rötliche Färbung angenommen, und der vergehende Tag würde der Dunkelheit bald Platz machen müssen.
Wo das hohe Gras wuchs, verließen wir den dichten Wald und wurden sofort von einer anderen Luft erfasst, die wesentlich trockener und nicht mehr von der kühlen Feuchte erfüllt war wie die unter den Bäumen.
Unser Blick auf die Stadt war frei. So schauten wir über die Dächer hinweg und sahen auch die leichte Dunstwolke, die darüber schwebte.
Ein feines Nebelfeld, das sich möglicherweise senken würde, um den kleinen Ort einzuhüllen.
Am Himmel malte sich bereits ein blasser Kreis ab. Der Mond konnte es offenbar nicht erwarten, sich den Menschen zu zeigen, aber seine eigentliche gelbe Farbe hatte er noch nicht bekommen.
Wenn das eintrat, würde die Balkan Bestie erwachen. Daran dachte ich, als Suko sich auf seine Maschine zu bewegte und ich dem Waldrand noch einen letzten Blick gönnte.
Er blieb für mich ein dunkler Saum mit einigen schwach schimmernden Eingängen. Doch ich sah dort keine Bewegung, und es war auch nichts zu hören, abgesehen von einem leisen Rauschen der Blätter, wenn der Wind sie streichelte.
Der Blick auf den Ort, die weiche Luft, unser Standort am Wald. Da konnte man schon von einem romantischen Plätzchen sprechen. Nur war uns beiden nicht danach zumute. Die vor uns liegenden Nachtstunden konnten noch lang und gefährlich genug werden.
Suko wartete an seiner alten BMW auf mich. »Du brauchst dich nicht erst anzustrengen, John. Die Layton bekommst du nicht zu Gesicht, und auch die Wölfe fühlen sich wohl in Craia besser aufgehoben. Darauf gebe ich dir Brief und Siegel.«
»Das kannst du. Meine Skepsis bleibt allerdings.«
»Warum?«
»Weil ich Morgana Layton kenne. Sie ist - na ja, sie ist nicht der Typ, der so leicht aufgibt.«
»Dann ist die Torte noch nicht gegessen?«
»Bestimmt nicht. Und dabei meine ich nicht nur die Nacht. Aber egal, lass uns fahren.«
»Und was hast du in der Stadt vor?«
»Patrouillieren, Suko. Wir werden Wache halten. Wir werden darauf lauern, dass uns die BalkanBestie über den Weg läuft. Es wird sie nach draußen zu den Menschen treiben. Das ist einfach so.«
»Okay. Dann lass uns starten.«
Darauf hatte ich gewartet. Die Maschine war aufgebockt. Suko kickte den Ständer weg und startete den Motor, was ihm erst nach einem zweimaligen Versuch gelang.
Ich musste wieder auf den breiten Sattel des Rücksitzes, was mir nicht besonders gefiel, wenn ich an die Hinfahrt dachte. Aber was hält ein Mensch nicht alles aus.
Mein letzter Blick zum Waldrand hin.
Es hatte sich nichts verändert. Niemand zeigte sich dort, und ich konnte aufatmen.
»Fahr aber so, dass ich ohne Verstauchungen in Craia ankomme«, bat ich Suko.
»Seit wann bist du so empfindlich?«
»Das bin nicht ich, das ist mein Hintern.«
»Dann schönen Gruß an ihn.« Nach diesem Satz gab er Gas und startete durch.
Ich atmete auf, weil Suko sich mit seiner Fahrweise zurückhielt. Es war allerdings nicht einfach, den Abhang mit dem feuchten Untergrund hinabzufahren. Da gab es kein schlichtes Geradeaus, Suko musste schon in Kurven fahren, und er verlängerte die Strecke damit.
Zumindest mit einer Hand hielt ich mich an ihm fest. Ich wollte mir etwas Freiheit gewähren, um mich umschauen zu können. So friedlich die Umgebung auch aussah, das konnte sich blitzartig ändern, und die Wölfe waren mir noch nicht aus dem Sinn gegangen.
Aus eigener Initiative handelten sie nicht. Sie standen unter dem Befehl der Morgana Layton, und die war mit allen Wassern gewaschen. Ihr Verschwinden aus dem Wald kam mir wie ein taktischer Rückzug vor.
Erledigt war hier noch nichts.
Sukos breiter Körper nahm etwas von dem Fahrtwind weg, sodass mein Gesieht nicht voll getroff en wurde. Zudem drehte ich den Kopf, um das Gelände im Auge zu behalten.
Das Gras wuchs ziemlich hoch, niemand mähte es hier, und in ihm konnten sich irgendwelche Feinde verbergen.
Etwa nach der Hälfte der Strecke wurde das Gelände flacher. So war die Fahrt nicht mehr so
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