1515 - Die Balkan-Bestie
problematisch, aber das wussten auch die Wölfe. Es war gut, dass ich die Umgebung im Auge behalten hatte, denn so fiel mir der schnell durch das Gras huschende vierbeinige Schatten auf, der von der rechten Seite heranjagte.
Ob Suko den Wolf gesehen hatte, wusste ich nichts. Gesagt hatte er nichts, und deshalb rief ich ihm eine Warnung ins Ohr.
»Rechts von uns, da kommt er!«
Suko drehte den Kopf.
Genau in diesem Augenblick war der Wolf so nahe heran, dass er zu einem Sprung ansetzen konnte. Und genau das tat er auch. Er flog von der Seite her auf uns zu, und Sekunden später prallte er gegen mich.
Ich hatte mich mit einer Hand an Sukos rechter Schulter festgehalten.
Doch die Wucht des Aufpralls war so stark, dass ich den Halt verlor und vom Sitz rutschte.
Suko zerrte ich mit, und plötzlich fuhr die Maschine führerlos weiter. Wir landeten beide auf dem Erdboden, der zum Glück weich war. Wir hatten uns auch voneinander gelöst und rollten jetzt den Hang hinab, uns immer wieder überschlagend.
Einer lief auf vier Pfoten. Das war der Wolf, und er hatte sich mich zu seinem Ziel ausgesucht…
***
Mir blieb keine Zeit mehr, die Beretta zu ziehen, denn das Tier befand sich bereits im Sprung. Ich lag auf dem Rücken, rutschte noch ein Stück und schaffte es soeben, beide Arme in die Höhe zu reißen, die Fäuste zusammenzulegen und zuzuschlagen.
Auch Wölfe haben eine schwache Stelle, und die traf ich, denn beide Fäuste rammten gegen die Schnauze. Ich traf sie dabei mehr von unten, sodass der Wolf nicht zuschnappen konnte.
Dafür heulte er auf, setzte sich auf die Hinterpfoten und gab mir eine kurze Pause.
Ich rutschte nicht mehr.
Aus der Rückenlage schnellte ich in eine sitzende Position hoch und holte meine Beretta hervor.
Meine Augen weiteten sich, als ich den zweiten Wolf sah, der auf mich zu hetzte. Er kannte keine Pistole, er schaute mit seinen kalten Lichtern direkt in die Waffenmündung, aus der sich dann die Kugel löste, als ich abdrückte.
Die geweihte Silberkugel jagte in seine breite Brust und blieb dort stecken. Der Wolf zuckte, er rutschte noch auf mich zu, aber er war nicht mehr gefährlich, und ich stoppte den massigen Körper mit meinen Füßen. Ich sah Blut im Fell, aber das interessierte mich nicht. Es gab noch die beiden letzten Wölfe.
Einer umtanzte Suko, der auf dem Boden kniete und eine sichere Schussposition suchte. Zugleich schlich das Tier, dem ich den Schlag auf die Schnauze verpasst hatte, in seinem Rücken an ihn heran.
Ich konnte es mir erlauben, noch näher an das Geschehen heranzugehen, und feuerte dann.
Es war das Tier mit der malträtierten Schnauze, dem ich gewissermaßen den Blattschuss gab. Die Kugel schlug ein Loch in seinen Kopf, aus dem eine ölige Flüssigkeit rann, die sich mit dem Blut vermischte.
Suko erwischte den letzten Wolf. Eine gezielt geschossene Kugel erledigte alles. Dann hob Suko den rechten Arm in die Höhe, um mir zuzuwinken.
»Die Vorhut ist weg!«, rief er. »Es hätte mich auch gewundert, wenn sie uns zufrieden gelassen hätte.«
»Du sagst es.«
Ich kam endlich dazu, meine Knochen zu sortieren. Das Glück hatte mal wieder auf meiner Seite gestanden, und bei Suko war es ebenso. Der weiche Boden hatte unseren Fall stark abgefedert, und es war bei keinem von uns zu Verstauchungen gekommen.
Unser fahrbarer Untersatz war ein Stück den Hang hinabgerutscht, über den jetzt auch erste dünne Nebelschwaden krochen.
»Hoffentlich fährt die alte Mühle noch«, sagte ich. »Das würde ich unserem Verleiher nicht gönnen, wenn sie ihren Geist aufgegeben hätte.«
»Keine Panik. Die BMW hat so lange Jahre durchgehalten, das wird auch jetzt nicht ihr Ende gewesen sein.« Suko hob das Motorrad an. Der linke Griff und auch die linke Seite waren mit Lehm verschmiert, aber das hatte keinen Einfluss auf die Technik des Motors.
»Und?«
Suko zwinkerte mir zu. »Wetten, dass sie noch fährt?«
»Probiere es aus.«
»Gern.«
Er hatte recht. Dieses Ding auf zwei Rädern war wirklich unverwüstlich.
Sein Motor stotterte mal, aber bald lief er rund, und wir konnten starten.
»Das war die Ouvertüre«, sagte ich, als ich meinen Platz auf dem Sozius wieder eingenommen hatte.
»Und wie sieht die Oper aus?«
»Düster, Suko, sehr düster…«
***
Ja, es hatte sich schon einiges verändert, obwohl letztendlich alles gleich geblieben war. Das lag einzig und allein an den dünnen, graubleichen Nebelschwaden, die Craia eingehüllt hatten. Es war zwar
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