1516 - Totenlichter
besten hier stehen, Frau Peters. Der Anblick ist nichts für schwache Nerven.«
Sie begriff sehr schnell. »Ist - ist - sie tot?«
»Ja, sie ist ermordet worden.«
»Mein Gott, das ist ja…« Gisela Peters konnte nicht mehr sprechen. Sie war kalkbleich geworden und sah aus, als würde sie jeden Moment umfallen.
Ich führte sie in ein anderes Zimmer. Es war die Küche. Dort setzte ich sie auf einen knallgelben Stuhl. Ich reichte ihr auch ein Glas Wasser, das sie dankend annahm.
»Warten Sie hier, bitte.«
»Ja, ja…«
Ich ging zurück in das Mordzimmer, wo ich Harry Stahl neben der Leiche stehend fand. Sein Gesicht wirkte maskenhaft starr, beinahe so wie das der toten Petra Zimmer.
»Warum nur?«, fragte ich mit leiser Stimme. »Warum sie?«
»Hier habe ich den Grund. Es ist wieder mal eine Botschaft.«
Harry hatte dünne Gummihandschuhe übergestreift und hielt mir mit spitzen Fingern einen Zettel entgegen, auf dem klar und deutlich eine Botschaft zu lesen war.
»Sie war eine Sünderin und Hure, und deshalb hat sie den Tod verdient«, las ich halblaut vor.
»Das gleiche Motiv, John, nur etwas verändert.«
»Ja.«
»Ein Verrückter. Ein Psychopath, ein Fanatiker. Jemand, der nicht mehr richtig im Kopf ist.«
»Und der eine Kleidung trägt, die nach Weihrauch riecht.«
»Ja, auch das.«
»Was machen wir?«, murmelte ich. »Wie kommen wir an den Mörder heran? Welche Spuren hat er noch hinterlassen?«
»Wir müssen deinen Freund Hinz anrufen. Wir selbst können nicht viel machen.«
Leider stimmte das. Ich ging trotzdem um die Tote herum und betrachtete ihren starren Körper. Der Mörder hatte ihr die Augen nicht geschlossen. Der Blick war gläsern, die Lippen noch verzogen und halb geöffnet.
Und dort, wo das Herz geschlagen hatte, steckte die Waffe noch in dem nackten Körper. Blut war nur wenig aus der Wunde getreten, aber es hatte trotzdem die Fliegen angezogen.
Ich betrachtete das Messer. Ja, es hatte die Form eines Kreuzes. Es war aus Eisen. Das Ende war an der langen Seite angespitzt, sodass es ohne große Probleme in den Körper hatte eindringen können.
»Er war mal wieder schneller, John, und ich habe das Gefühl, dass er über unsere Schritte sehr gut Bescheid weiß.«
»Meinst du wirklich?«
»Ja, was sonst?« Harry grinste scharf.
»Und seine Kleidung riecht nach Weihrauch. Ich frage mich trotzdem, warum er Petra Zimmer als Hure bezeichnet hat. Das war sie nicht.«
»Es kann sein, dass er alle Frauen, die sich nicht auf seiner Linie bewegen, als Hure ansieht.«
»Ja, das ist möglich. Dann hätte er aber verdammt viel zu tun, wenn er die Welt davon befreien will.«
Ich hob die Schultern. »Weißt du, was in seinem verqueren Kopf vor sich geht?«
»Nein, John. Ich weiß nur, dass Petra Zimmer in der letzten Nacht ermordet wurde. Das kann ich an ihrer Körpertemperatur fühlen. Alles andere sollen die Kollegen übernehmen.«
»Okay, ich rufe Uwe Hinz an. Er wird verdammt überrascht sein, dass die Toten so schnell hintereinander folgen. Als stünde der Killer unter Zeitdruck.«
»Was hoffentlich nicht der Fall sein wird, John,«
So richtig konnte ich Harry nicht zustimmen. Jetzt begann die Arbeit der Kollegen, und was dann passierte - keiner von uns wusste es…
***
Margot Thamm stand in der Tür und hatte sich lässig an deren Rahmen gelehnt. Sie schaute Florian und seinen Freund Moritz an. Ihre kleine Tasche für den Dienst hatte sie schon gepackt. Sie stand vor ihren Füßen.
»Kann ich mich auf euch verlassen«, fragte sie.
»Klar.«
Sie winkte ab. Wenn Florian so schnell eine Antwort gab, musste das nicht unbedingt Zustimmung bedeuten. Deshalb setzte sie die nächste Frage nach: »Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr im Haus bleibt und nicht wieder eine nächtliche Radtour unternehmt?«
»Können Sie, Frau Thamm.«
»Das ist gut, Moritz, dann verlasse ich mich auf dich. Einen schönen Tag noch, ihr beide.«
Margot Thamm ging, aber ihr Gewissen war nicht eben rein. Sie hatte das Gefühl, etwas Falsches zu tun, aber sie konnte ihre Arbeit auch nicht einfach hinwerfen. Die Personaldecke in der Kanzlei war dünn, da musste man schon kollegial denken, sonst gab es Probleme.
Florian ging zum Fenster. Erst als er seine Mutter draußen auf dem Gehsteig sah, drehte er sich wieder um und sprach seinen Freund an.
»Was machen wir denn jetzt?«
»In deiner Bude ist es eng.«
»Weiß ich. Bei dir oben ist es nicht besser.«
»Sollen wir nicht rausgehen?«
Florian
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