1516 - Totenlichter
stand bereits an der Tür. Er schaute seinem Freund zu, wie dieser den Kopf schüttelte.
»Was ist denn los?«
»Ich weiß nicht.«
»Erzähl doch keinen Mist.«
»Na ja, das war schon komisch.«
»Was war komisch?«
»Die Stimme vom Pfarrer.«
»Und?«
»Sie klang anders, nicht so echt und locker wie sonst.«
»Das hast du gehört, wie?«
Florian nickte heftig. »Genau das habe ich. So hat er noch nie gesprochen.«
»Vielleicht hat er selbst schon Möbel gerückt. Du weißt, dass die Sakristei ziemlich groß ist. Da passen schon einige von diesen Dingen rein.«
»Klar.« Florian stand auf. »Dann lass uns fahren.«
»Endlich mal bist du cool.«
Moritz nahm seine Mütze und setzte sie auf. »Und wenn deine Mutter von der Arbeit kommt, sind wir wieder hier bei dir zu Hause.«
»Hoffentlich«, murmelte Florian…
***
Schweiß rann in kleinen Bächen über das Gesicht des Pfarrers. Auch jetzt, da er nicht mehr sprach, spürte er den Druck des Messers in seinem Rücken. Dessen Spitze hatte bereits den Stoff durchdrungen und die Haut geritzt, sodass sie eine kleine Wunde verursacht hatte, die leicht blutete.
»Sie sind verrückt«, flüsterte der Mann mit den grauen, leicht welligen Haaren. »Sie sind wirklich mehr als verrückt. In Ihnen steckt der Teufel.«
»Nein, die heilige Furcht. Ich gehe einen Weg, wie man ihn gehen muss, verdammt.«
»Und wie geht er weiter? Und wo führt er hin?«
»Ins Paradies. Dort ist schon ein Platz für mich reserviert worden, Herr Pfarrer.«
»Haben Sie das auch dem Bischof gesagt?«
»Nein, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis ich ihm die Augen öffne.«
»Dann ist Ihr mörderisches Spiel aus. Menschen wie Sie sind einfach nur schlimm, mehr kann ich dazu nicht sagen. Sie sollten umkehren und sich stellen, wobei Sie zugleich ihre Sünden bereuen können. Vielleicht ist der Herrgott Ihnen gnädig.«
Pfarrer Steidel hatte hastig gesprochen. Er wollte den Mann hinter seinem Rücken ablenken. Er hatte sich dabei so stark auf das konzentriert, was er zu dem Mann sagte, dass er das Verschwinden der Spitze von seinem Rücken nicht wahrgenommen hatte.
Als er es dann bemerkte, war es zu spät. Da hatte der Mörder bereits ausgeholt.
Wuchtig stieß er zu!
Steidel spürte den wahnsinnigen Schmerz in seinem Innern. Plötzlich floss kein Blut mehr durch seine Adern, sondern Feuer, und das explodierte wie ein Vulkan, bei dem sich zugleich ein Schlund öffnete und den Pfarrer mit in die Tiefe riss, die der Tod für ihn bereithielt…
Wir standen im Hausflur, um die Arbeit der Spurensicherung nicht zu behindern. Der Hauptkommissar schüttelte immer wieder den Kopf.
»In welch einen Horror sind wir hier nur hineingeraten? Das verstehe ich nicht. Es gibt einen Killer, der uns zum Narren hält, der seine Taten zelebriert. Der sie mit Totenlichtern schmückt und sich wahrscheinlich vorkommt wie ein alttestamentarischer Rächer.« Hinz schaute mir in die Augen.
»Oder liege ich da so falsch?«
»Ich weiß es nicht. Er ist jedenfalls auf einem Weg, den er nicht mehr lange gehen sollte. Ich möchte nicht vor weiteren Toten stehen, es reicht mir allmählich.«
Uwe Hinz nickte. Dann wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er war ein recht korpulenter Mann, und ich sah, dass er die Lippen zusammenpresste.
»Er hat ein System«, erklärte Harry Stahl, der an der Wand lehnte. »Er killt Menschen, die in seinen Augen Sünder sind. Petra Zimmer hat er als Hure bezeichnet. Wenn man das bedenkt, muss man zu dem Schluss kommen, dass er sich auskennt. Er weiß also über die Leute Bescheid, und daraus können oder müssen wir schließen, dass er sich in der Stadt und auch im Umkreis auskennt.«
Keiner widersprach ihm.
»Und deshalb müssen wir uns fragen, woher er sich diese Informationen holt. Er muss sich irgendwo aufhalten, wo es leicht für ihn ist, an sie heranzukommen.«
»Das sehe ich mittlerweile auch ein«, sagte der Hauptkommissar.
»Und seine Kleidung hat nach Weihrauch gerochen, wenn wir den Jungen glauben dürfen«, gab ich zu bedenken.
»Dann käme nur eine kirchliche Umgebung infrage«, flüsterte Uwe Hinz.
»Auch das noch.«
»Die Zeugen sprachen auch von einer Kutte.«
Hinz nickte mir zu. »Soll ich jetzt die Mönche des Klosters überprüfen lassen?«
»Wenn alle Stricke reißen, schon.«
»Das würde einen Aufruhr geben.«
»Na und? Wenn wir die Morde stoppen können, lohnt es sich«, sagte ich und sprach den Gedanken aus, der mir schon die ganze
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