1516 - Totenlichter
Falles habe ich dann die kulinarischen Highlights der Gegend hier kennen gelernt.«
»Wenn das so ist«, sagte Harry, »will ich dich nicht enttäuschen…«
***
Florian Thamm und Moritz Müller rutschten den Hang mehr hinab, als dass sie ihn gingen. Beiden war nicht besonders wohl zumute, doch niemand von ihnen würde es offen zugeben.
Jetzt war für sie erst mal das Ziel wichtig.
Beide wurden von der Dunkelheit der Nacht umhüllt. Aber es gab die helle Insel auf der Rasenfläche vor ihnen, die immer leicht feucht war, weil sich in der Nähe einige kleine Teiche befanden, die nur in sehr trockenen Sommern Schlammlöcher waren.
Es hatte viel geregnet in der letzten Zeit, und so war der Boden entsprechend nass. Zweimal waren die beiden ausgerutscht, aber das machte ihnen nichts aus. Später würden sie den Hang wieder hinaufsteigen müssen, um zu den Fahrrädern zu gelangen, die sie am Waldrand abgestellt hatten.
Obwohl sie ihre Taschenlampen nicht gebraucht hätten, gaben diese weiterhin ihr Licht ab. Das Licht dämpfte ihre Furcht ein wenig, und so leuchteten sie auch die Umgebung ab. Die langen Strahlen stachen ins Dunkel. Etwas, das sie interessieren könnte, entdeckten sie allerdings nicht.
Nebeneinander gingen sie auf die helle Insel mit den vier Lichtern zu. Je näher sie kamen, umso deutlicher sahen sie, wie die kleinen Flammen tanzten. Aber der schwache Wind blies sie nicht aus, denn sie wurden durch Glas geschützt.
Nur noch wenige Schritte, und sie hatten ihr Ziel erreicht, vor dem sie stehen blieben, erst schauten und dabei nichts sagten. Beide zogen den Kopf zwischen die Schultern, und über ihre Körper kroch eine Gänsehaut.
»Da liegt einer«, flüsterte Moritz.
Florian nickte nur.
»Der ist sogar nackt.«
»Weiß ich.«
»Sollen wir näher heran?«
»Warte erst mal.« Florian leuchtete in eine andere Richtung. Er sah, wie der Strahl zitterte, als er zuerst über den unbekleideten Körper strich und dann ein Gesicht aus der Dunkelheit riss, das schlimm aussah.
Da stand der Mund ebenso offen wie die beiden Augen. Und am Kinn entdeckten sie einige rote Flecken. Sie stammten von dem Blut, das aus der Wunde gespitzt war, als der Mörder die Waffe in die Brust des Mannes gerammt hatte.
Sie steckte jetzt noch dort, und sie sah aus wie ein Kreuz!
Vier Lichter rahmten den Mann ein. Da die Arme und Beine gestreckt und zu den Seiten gedreht waren, bildete der Tote ein großes X. Genau dort, wo sich die Zehen und Finger befanden, standen die vier Kerzen in Glasbehältern.
»Die Totenlichter«, flüsterte Florian und schloss die Augen.
Moritz konnte nur nicken. Der schreckliche Anblick hatte ihm die Sprache verschlagen. Er konnte seinen Blick nicht von dem Messer abwenden, das aus dem Körper des Toten ragte. Das Messer sah wirklich aus wie ein Kreuz, und genau diese Tatsache empfanden die beiden Pfadfinder als besonders schlimm.
»Er ist wieder unterwegs«, flüsterte Florian. »Genau, wie wir es uns gedacht haben.«
»Ja, aber - aber - warum tut er das?«
»Ich weiß nicht.«
»Wir müssen die Polizei rufen.« Florian nickte. »Hast du dein Handy mit?«
»Ja, aber nicht hier.«
»Wieso?«
»Das steckt in der kleinen Tasche am Lenker.«
»Ach du scheiße. Warum das denn?«
»Es war mir zu hinderlich.«
Florian verdrehte die Augen. Er stand da und zitterte weiterhin. Ihm war schlecht. Er wäre am liebsten weggerannt, doch die Beine waren ihm zu schwer, und er musste eine Frage loswerden.
»Hast du schon mal einen Toten gesehen? Ich meine, so richtig und nicht im Fernsehen?«
»Nein, das ist der Erste. Meine Oma durfte ich nicht anschauen. Sie hat zu schlimm ausgesehen.«
»Ich auch nicht.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir fahren zur Polizei. Nichts anrühren hier. Wir müssen alles so liegen lassen.«
Auch wenn sich der Dialog zwischen den beiden Jungen normal anhörte, er war es nicht, denn jedes Wort wurde von einem zittrigen Unterton begleitet.
»Ich habe Angst!«, flüsterte Florian.
»Ich auch.« Moritz relativierte. »Aber Tote tun einem doch nichts, heißt es.«
»Das ist auch nicht wie im Kino.«
Dann wussten beide nichts mehr zu sagen. Sie wischten über ihre Augen und sprachen dann davon, dass sie verschwinden wollten. Sie hätten das Waldstück umlaufen können, denn an seinem Ende gab es den Hang nicht. Die letzten Bäume standen in einem flachen Gelände.
Nur wäre dieser Weg viel weiter gewesen, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als den gleichen
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