1520 - Geschäfte mit Topsid
schien allerdings, als wüßten die Kartanin mit ihrer neuen Freiheit nicht allzuviel anzufangen.
Aber das - dachte Dao-Lin-H’ay - konnte natürlich auch ein Irrtum sein. Sicher war sie in vielen Dingen etwas voreingenommen.
Sie erreichte den Rand der Schlucht und flog im Schutz der Felsen bis nahe an das Firmengelände der Familie L’ung heran.
Das gigantische Dach des Hauptgebäudes bot ihr reichlich Gelegenheit, in sicherer Deckung zu landen und in aller Ruhe nach einem Einstieg zu suchen. Es gab eine ganze Reihe von Luken. Man hatte sie geschickt in die Schatten der Falten eingefügt, so daß sie für den flüchtigen Beschauer völlig unsichtbar blieben.
Sie waren sowohl von innen als auch von außen zu öffnen und gehörten zu einem, speziellen Wartungssystem.
Dieses Wartungssystem war ein Teil jener Absicherungen, für die Dao-Lin-H’ay wenige Stunden zuvor so großes Interesse gezeigt hatte.
Die Stürme auf Kartan hatten es in sich. Vom technischen Standpunkt aus wäre es kein Problem gewesen, die ganze Stadt in einen Schutzschirm zu hüllen, aber die Kartanin hatten auch in dieser Beziehung ihren Stolz. Sie präsentierten sich gerne als ausgesprochen sturmfeste Wesen, und ihre Bauwerke hatten in dieses Bild hineinzupassen.
Das taten diese Bauwerke aber nicht immer, und dann waren Schutzmaßnahmen unumgänglich.
Jeder kartanische Architekt legte allergrößten Wert darauf, daß man von diesen Absicherungen möglichst wenig sah.
Auf dem riesigen Dach des Hauptgebäudes gab es daher ein ganzes System von fein aufeinander abgestimmten Projektoren. Wenn einer dieser Projektoren auch nur das leiseste Anzeichen dafür lieferte, daß irgend etwas mit ihm nicht in Ordnung war, wurde sofort Alarm ausgelöst. Im Innern des Gebäudes existierte eine spezielle Wachabteilung, die für diese Dinge zuständig war.
Dao-Lin-H’ay öffnete eine der Luken, schlüpfte hindurch und schloß die Öffnung sofort wieder hinter sich. Sie huschte einen Gang entlang, bis sie auf eine der schweren Portieren traf. Sie konzentrierte sich kurz - in dem Raum hinter der Portiere hielt sich niemand auf.
Sie trat ein und wartete.
Es verging kaum eine Minute, da hörte sie Stimmen auf dem Gang.
Die bloße Existenz der Wachtruppe bewies, daß die Sturmsicherung dieses Gebäudes gewisse Schwachstellen haben mußte, und genau darauf stützten sich Dao-Lin-H’ays Hoffnung. Offenbar hatte sie recht mit ihren Vermutungen, denn die Wachen kehrten schnell zurück und schimpften dabei über die häufigen Fehlleistungen des Alarmsystems.
Mit unerwünschten Eindringlingen, die ausgerechnet über die Sturmluken auf dem Dach hereinkamen, schien hier niemand zu rechnen. Dao-Lin-H’ay hatte das schon den Bauplänen entnommen und war darüber im ersten Moment sehr überrascht gewesen. Dann hatte sie sich gesagt, daß sie wohl wirklich schon zu lange unter Galaktikern gelebt hatte.
Auf Kartan herrschte offenbar immer noch das alte Vertrauen in die eigenen Artgenossen. Die Kartanin waren jederzeit bereit, Angehörige anderer Völker nach Strich und Faden zu belügen und zu betrügen, aber untereinander waren sie von einer mitunter fast rührend naiv anmutenden Vertrauensseligkeit.
Der Gedanke, daß es Saboteure und Spione in den eigenen Reihen geben könnte, lag ihnen keineswegs gänzlich fern, aber kein Kartanin hätte die Schwachstellen der Sturmabwehr für einen Einbruch ausgenutzt.
Das war ein ungeschriebenes Gesetz, und es hatte bisher bestens funktioniert. Wahrscheinlich einfach deshalb, weil kein Fremdling angesichts aller sonstigen Sicherheitsmaßnahmen jemals auf die Idee gekommen war, daß es solche Schwachstellen geben könnte.
Auch die Sturmwachen im Familienbetrieb derer von L’ung kamen gar nicht erst auf den Gedanken, hinter dem angeblichen Fehlalarm mehr zu vermuten und nach ungebetenen Gästen Ausschau zu halten.
Dao-Lin-H’ay verließ den kleinen Raum und stand wenig später vor den verschlossenen Türen, die ihr Mißtrauen erregt hatten.
Die importierten Schlösser waren karaponischen Ursprungs und stellten kein Hindernis dar. Dao-Lin-H’ay brauchte ganze zwei Sekunden, um die erste Tür zu öffnen.
Schon der erste Rundblick zeigte ihr, daß sie am Ziel war. Sie mußte unwillkürlich lächeln.
Die Kartanin und ihre Traditionen! dachte sie amüsiert.
Ihr nächtlicher Ausflug schien ihr geradezu ein Lehrstück zu diesem Thema zu sein.
An den Wänden standen Gestelle, in denen schwere, in sandfarbenen Stoff
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