1521 - Der nächste bist du, Sinclair!
Meinung, die ich akzeptiere. Du hast mir aber auch mitgeteilt, dass er dir das Kreuz versprochen hat, damit es nach seinem Tod in würdige Hände gelangt. Aber er hat dir keinen Zeitpunk genannt. Es sind viele, viele Jahre vergangen. Das Kreuz gibt es immer noch. Ich bin sein Erbe, ich trage es bei mir, aber ich sehe ein, dass es dir gehört, wenn alles stimmt, was du mir gesagt hast.«
»Ja, es gehört mir.«
»Dann werde ich es dir geben!«
Es waren Worte, die auszusprechen mir nicht leicht gefallen waren, und auch Glenda Perkins fühlte sich geschockt. Sie öffnete ihren Mund, als wollte sie einen Schrei ausstoßen, aber rechtzeitig genug sah sie meine abwehrende und zugleich warnende Handbewegung, sodass sie die Lippen zusammenpresste und schwieg.
In Leonores starrem Gesicht bewegte sich etwas. Mit leiser Stimme fragte sie: »Du willst es mir geben?«
»Das habe ich vor.«
»Und warum?«
»Ich habe eingesehen, dass ich es lange genug gehabt habe. Wenn es dir versprochen worden ist, dann soll es eben so sein.«
»Aber verlange keine Gegenleistung!«
»Habe ich etwa davon gesprochen?«
»Nein. Lass dir nur gesagt sein, dass ich mein Vorhaben nicht aufgeben werde.«
»Ich bin der Nächste, nicht wahr?«
»So ist es. Dein Kreuz werde ich so oder so bekommen. Das heißt, es ist ja mein Kreuz.«
»Das ist es dann wohl«, gab ich mit schwacher Stimme zu.
Was Glenda tat, war für mich im Moment unwichtig, es gab nur mich und diese Leonore und natürlich das Kreuz, das in meiner Seitentasche steckte und das Leonore noch nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte, was ich jetzt ändern würde.
Sie beobachtete mich genau, als ich meine Hand in der Tasche verschwinden ließ. Die schwache Wärme rann schon über meine Haut, aber ich sah es nicht als eine starke Warnung an. Ich war nur gespannt, wie es reagieren würde, wenn es sich in der Hand einer unwürdigen Person befand. Da lagen die Dinge schon anders.
Ich holte es hervor und streckte ihr die Hand entgegen, auf der mein Kreuz offen lag.
Der Anblick ließ sie erschauern. In ihre Augen trat ein geheimnisvolles Funkeln. Dort, wo sich ihr Mund befand, entstanden schmatzende Geräusche.
»Nimm es!«, bat ich sie.
»Ja«, sagte sie mit einer rauen Stimme. »Ja, darauf habe ich so lange gewartet. Ich werde es an mich nehmen. Es wird für mich einfach wunderbar sein…«
Das Schwert sank nach unten. Sie stellte die Spitze auf den Boden und legte ihre linke Hand auf den Griff. Den rechten Arm streckte sie nach vorn, um das Kreuz entgegenzunehmen.
Ich schaute auf ihre Handfläche und entdeckte dort das leichte Zittern.
Eine Sekunde später ließ ich das Kreuz auf ihre Hand fallen.
Sie öffnete den Mund, sie riss die Augen weit auf, und sie wusste nicht, was sie sagen sollte, denn das Kreuz hatte sie in seinen Bann gezogen.
»Endlich!«, flüsterte sie.
»Gut«, lobte ich sie. »Aber eines gehört noch dazu, Leonore. Ich weiß nicht, ob Hector mit dir darüber gesprochen hat.«
»Worüber?«
»Na, über die Formel.«
»Welche Formel?«
»Die jeder kennen muss, der sich im Besitz des Kreuzes befindet.«
Sie war irritiert, schaute auf das Kreuz, auch in mein Gesicht und entschied sich dann für die Antwort, die ich mir gewünscht hatte.
»Sprich sie aus!«
»Fein!« Ich lächelte. Dann sagte ich mit einer bestimmten Betonung die Worte, auf die es ankam. »Terra pestem teneto salus hie maneto«
Leonore kannte sie nicht, aber sie erlebte ihre Wirkung, und das war für sie wie der Einschlag einer Bombe…
***
Das Kreuz strahlte in der folgenden Sekunde etwas ab, dessen Glanz oder dessen Helligkeit kaum mit Worten beschrieben werden konnte. Ich sah es als Licht an. Licht, das der Himmel schickte, in dem seine Boten badeten.
Licht, das gegen das Böse und auch gegen das Dunkel und gegen dessen Diener kämpfte.
Mir war klar, dass Hector de Valois seiner Geliebten das Kreuz nie und nimmer versprochen hatte. Das hätte er gar nicht gekonnt, denn er wusste, dass es einen anderen Weg nehmen würde. Und ich ging davon aus, dass er sich bewusst von seiner Geliebten getrennt hatte, weil sie nicht würdig gewesen war. Womöglich hatte sie sich den finsteren Mächten zugewandt.
Das Kreuz war so stark, dass es ihm gelang, die Zeit-Anomalie zu zerstören. Ihre Lichtsplitter waren nichts im Vergleich zu dem, was wir jetzt erlebten.
Sie wurden zerrissen, zerplatzten, wie auch immer. Es gab nur noch ein Zentrum, und das wurde von dieser verfluchten Mörderin
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