1524 - Schreckens-Zoo
hier nichts vor, Doktor. Was ich gesehen habe, das stimmt.«
»Was halten Sie denn von dem Vogel?«
»Keine Ahnung.«
»War es ein Adler?«
»Nein, es war ein Riesenvogel, der sich eine Schlange geholt hat. Ein Tier aus unseren Terrarien. Er hat sie verschluckt wie andere Vögel einen Wurm. Ich weiß, dass man es nicht nachvollziehen kann oder nur schwerlich, aber so ist es gewesen. Warum hätte ich Sie sonst angerufen?«
»Wem haben Sie alles von diesen Vorfällen berichtet, Till?«
»Bisher keinem, Doktor. Aber es kommt noch etwas hinzu. Sie haben sicherlich die Pflaster auf meinem Gesicht gesehen?«
»Ja.«
»Ich habe auch welche im Nacken und auf dem Rücken. Der verdammte Vogel hat mich attackiert. Ich glaube, der hätte mich sogar getötet, wenn es mir nicht gelungen wäre, ihn mit einer Harke in die Flucht zu schlagen.« Er fing wieder an zu schwitzen und legte die Hände vor sein Gesicht.
Maxine Wells hatte die ganze Zeit über an die Erlebnisse ihres Schützlings gedacht, und so stand für sie fest, dass sie dem Tierpfleger glauben schenken musste. Zwei Menschen konnten sich unabhängig voneinander nicht so stark irren. Da Carlotta die Angreifer nicht hatte identifizieren können, stellte sie Till Mitchum noch diese Frage.
Er hatte die Hände inzwischen sinken gelassen und schaute die Tierärztin gequält an.
»Ich kann es Ihnen beim besten Willen nicht sagen, Dr. Wells. Wirklich nicht. Ich stehe hier vor einem Rätsel. Es war kein Adler, der sich verflogen hat. Es war keine mir bekannte Vogelart. Und hätte er nicht diese gewaltige Größe gehabt, hätte ich gesagt, dass es eine Krähe gewesen ist.«
»Aber es war dunkel.«
»Ja, das trifft zu. Er hatte ein dunkles Gefieder. Schwarzblau, würde ich sagen.«
»Und der Form nach hätte es sich also um eine Krähe handeln können, Till?«
Er fing jetzt an zu lachen. »Sie werden mich für verrückt halten, aber dieser Riesenvogel war mindestens dreimal so groß wie die größte Krähe.«
»Verstehe. Ein Tier, das ungewöhnlich groß und sehr angriffslustig gewesen ist.«
»Genau das.«
»Und Sie haben es danach nicht mehr zu Gesicht bekommen?«
Der Tierpfleger riss seine Augen auf. »Gott bewahre, nein! Darüber bin ich auch froh. Ich will diesem fliegenden Killer nicht noch mal begegnen.«
»Das kann ich mir denken.«
»Aber ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, Dr. Wells. Soll ich die Entdeckung nur mit Ihnen teilen oder soll ich auch der Zooleitung Bescheid geben?«
»Dr. Hardy?«
»Ja.«
Maxine wiegte den Kopf. »Ich weiß nicht so recht. Darüber sollten wir noch mal nachdenken.«
»Kennen Sie ihn?«
»Klar. Ich kenne ihn sogar recht gut. Allerdings weiß ich nicht, wie er reagieren wird, wenn Sie mit ihm darüber sprechen.« Sie trank einen Schluck von ihrem Milchkaffee und leckte danach den Schaum von der Oberlippe.
»Aber was soll ich denn machen, Dr. Wells?«
»Vielleicht könnten Sie mir alles Weitere überlassen.«
Till Mitchum stutzte. Er musste sich die Worte zunächst durch den Kopf gehen lassen.
»Passt Ihnen das nicht?«, fragte Maxine.
»Doch, doch. Ich denke nur Himmel, wenn das so ist, dann würden Sie mir ja glauben.«
»In der Tat.«
Er schaute die Frau an und sagte nichts. Diese Sprachlosigkeit blieb in den folgenden Sekunden bestehen, bis er sich wieder gefangen hatte.
»Das ist - damit hätte ich nicht gerechnet, Dr. Wells.«
»Warum nicht?«
»Weil alles, ich meine, weil alles so unglaublich ist. Ich war bisher der Überzeugung, dass man mich auslachen würde, wenn ich rede. Aber ich musste den Druck einfach loswerden. Bei Ihnen habe ich gedacht, dass Sie es nicht offen tun werden, und jetzt glauben Sie mir sogar. Das ist mehr, als ich erwarten konnte.«
»Wenn Sie das so sehen, muss ich es akzeptieren. Aber können Sie sich vorstellen, was mit Ihrem Angreifer passiert ist? Wohin er sich geflüchtet hat?«
»Nein, das weiß ich nicht. Es gibt genug Verstecke auch für einen so großen Vogel. Er könnte sich außerhalb des Zoos ein Versteck gesucht haben. Er hat sich irgendwo verkrochen und wartet darauf, dass er wieder eine Chance bekommt.«
»Sie denken da an einen weiteren Angriff?«
»Genau.«
»Dann müsste man in der Nacht Streife gehen.«
»Das dachte ich auch. Aber ich werde es nicht schaffen. Ich - ich würde mich auch fürchten. Ich habe im Zoo nur zufällig übernachtet, weil ich gefeiert habe und ziemlich tief abgestürzt bin. Ich wurde wach, weil mir schlecht war, und dann
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