1524 - Schreckens-Zoo
einen gewaltigen Nachdurst. Sein Körper war ausgetrocknet. Es schien keine Flüssigkeit mehr in ihm zu geben.
In seinem Kopf waren plötzlich Stiche. Aber die würden wohl verschwinden, wenn er lange genug die frische Luft eingeatmet hatte.
Zwei Dinge irritierten ihn.
Er hörte ein Klatschen oder Flattern, dann einen krächzenden und schrillen Schrei, der nicht aus einem der Gehege gekommen war. Der Ursprung lag im Freien und über ihm.
Till Mitchum blieb stehen. Wohl war ihm dabei nicht. Er presste die Lippen hart zusammen und schaute schräg in die Höhe, um die Ursache des Geräusches herauszufinden.
Zunächst sah er nichts. Aber sein Blick wanderte weiter bis zu den hohen Bäumen hin, deren dichtes Blattwerk so einen wunderbaren Schatten in der Hitze spendete.
Aus dieser Richtung war der Schrei aufgeklungen. Zu sehen war noch nichts, und Till wünschte in diesem Moment, dass er seine lichtstarke Taschenlampe bei sich gehabt hätte. Doch die lag in seinem Spind.
Der Pfleger war kein Typ, der sich so leicht ängstigte. Dann hätte er seinen Job verfehlt. Aber dieses Geräusch hatte schon sehr seltsam geklungen. Unheimlich und fremd wäre die exakte Beschreibung gewesen.
Wieder schrie das Tier!
Es musste ein Tier sein. Menschliche Schreie hörten sich anders an.
Und diese Laute waren genau dort aufgeklungen, wo die hohen Laubbäume wuchsen.
Till Mitchum war nicht mehr müde, und es ging ihm auch nicht mehr schlecht. Zwar fühlte er sich noch nicht so fit wie ein Turnschuh, aber er wollte es auch nicht auf sich beruhen lassen und nachschauen, wer dieses Geräusch von sich gegeben hatte.
Nach ein paar Schritten sah er mehr. Da huschte plötzlich ein gewaltiger Schatten durch die Luft, der mit den Flügeln um sich schlug. Ein Vogel, der etwas in seinem Schnabel trug, das auf ihn nieder fuhr wie eine Peitsche.
Mitchum war irritiert. Er übte diesen Job schon mehr als zehn Jahre aus.
Er war mit den Tieren des Zoos vertraut. Dieses Bild allerdings war ihm neu.
Das war zwar ein Vogel, den er jetzt sah, weil dieser sich auf einem dicken Ast niedergelassen hatte, aber seine Größe machte das Tier zu einer unheimlichen Gestalt. Es war kein Adler, die gab es nicht im Zoo, aber dieser Vogel erreichte eine Größe, die die eines Adlers noch übertraf.
Selbst bei der Dunkelheit sah er das Schimmern des Gefieders, das er von Krähen oder Raben her kannte.
So große Krähen?
Unmöglich. Auch Raben wuchsen nicht zu dieser Größe heran und erst recht keine Dohlen.
Der Pfleger setzte seinen Weg fort, ohne dass er es sich bewusst wurde.
Sein Ziel war der Baum mit dem Riesenvogel, obwohl er vor ihm eine gewisse Furcht verspürte.
Und dann sah er es wieder!
Zwischen den Schnabelhälften klemmte die Beute des Vogels, in die er immer wieder zuckend hineinbiss, um sie zu zerteilen. Noch lebte das Beutestück, und der Tierpfleger bekam erneut große Augen, als er sah, was der Riesenvogel da im Schnabel hielt.
Einen Wurm.
Nein, das war kein Wurm, obwohl es normal gewesen wäre, denn Vögel fressen nun mal Würmer. Doch dieses riesige Exemplar hatte sich etwas anderes geholt.
In seinem Schnabel hing eine Schlange!
Jemand lachte. Erst Sekunden später fiel dem Pfleger auf, dass er es war, der gelacht hatte. Es war für ihn einfach nicht zu fassen, was er da sah. Er hatte sich auch nicht getäuscht, obwohl die Dunkelheit noch über dem Gelände lag. Der Vogel auf dem Baum versuchte tatsächlich, eine Schlange zu fressen, was ihm noch nicht gelang, weil sie quer in seinem Schnabel lag. Das allerdings wollte das Tier ändern, denn es versuchte, seine Beute so zu biegen, dass sie der Länge nach durch den Schnabel in die Kehle rutschen konnte Die Schlange wollte nicht. Sie wand sich. Sie bewegte sich zuckend, sie krümmte sich, und doch hatte sie keine Chance gegen die Fressgier des Riesenvogels.
Er fing damit an, sie zu verschlingen. Den Kopf hielt er dabei hoch. Er zuckte bei jeder Bewegung, mit der die Schlange tiefer in seine Kehle glitt.
Till Mitchum konnte seine Blicke nicht von dem Geschehen lösen. Er schüttelte immer wieder den Kopf, er schlug die Hände vor sein Gesicht und flüsterte mit sich selbst.
»Das kann es doch nicht geben! Das ist der reine Wahnsinn. Das glaube ich einfach nicht…«
So sehr sich die Schlage auch wehrte, der übergroße Vogel verschlang sie und hackte dabei mit seinen Schnabelhälften immer wieder zu, als wollte er die Haut der Schlange beim Verschlucken perforieren.
Und dann
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