1524 - Schreckens-Zoo
Von einem noch jungen weiblichen Menschen, einer Person, die tatsächlich fliegen konnte, weil sich Flügel an ihrem Rücken befanden.
Allein diese Tatsache war so ungeheuerlich, sodass sie nicht an eine Gefahr dachte, die ihr drohen konnte. Damit beschäftigte sie sich erst, als sie nach unten blickte und auf das Dach ihrer Blockhütte schaute.
Und das aus einer Hohe, die mit denen der Baumkronen zu vergleichen war.
Was tat sich dort?
Zwei Helfer hatte sie noch. Aber es war nicht mehr sicher, ob sie den Kampf gewannen, denn bevor die fliegende Frau sie in die Höhe gerissen hatte, war es ihr gelungen, der Tierärztin eine Waffe in die Hand zu drücken.
Sie sah, dass Maxine Wells sie augenblicklich einsetzte.
»Verdammt, wer bist du?«, schrie die Erskine gegen den Wind an.
»Ich heiße Carlotta.«
»Warum kannst du fliegen? Oder bist du ein Engel?«
»Bestimmt nicht.«
»Was bist du dann?«
»Einfach ein Produkt meiner Umwelt!«
Damit wusste Alina nichts anzufangen. Sie stellte keine Fragen mehr und schaute in die Tiefe. Dabei den Kopf zu verdrehen war nicht nötig, denn Carlotta hielt sie so gepackt, dass ihr Blick nach unten gerichtet war. Gehalten wurde sie an der Schulter und am Bein.
So konnte sie dem Kampf zuschauen, und sie sah auch, wie sich die Tierärztin wehrte.
Alina hatte voll und ganz auf ihre mutierten Helfer gesetzt. Das war nun vorbei, denn sie musste mit ansehen, dass auch sie nicht unverletzlich waren.
Ein Vogel lag am Boden. Er war von der Spitzhacke voll getroffen worden. Er würde bestimmt sterben, aber noch schlug er mit den Schwingen um sich.
Sollte diese Frau tatsächlich gewinnen?
Nein, da gab es noch den zweiten Vogel. Er war einen Bogen geflogen und näherte sich der Frau nun von hinten. Sie konnte ihn nicht sehen, und deshalb wurde sie voll von dem Tier erwischt.
Die Frau erhielt einen heftigen Stoß, taumelte, fiel dann und blieb liegen, wobei sie die Hacke noch in den Boden geschlagen hatte.
Im nächsten Augenblick war der Vogel über ihr. Er krallte sich in ihrem Rücken fest und machte sich daran, mit seinem messerscharfen Schnabel ganze Arbeit zu leisten…
***
Blieb sie am Ende doch noch die Siegerin?
Alina Erskines Gedanken wurden von einem Wutschrei unterbrochen, den das fliegende Mädchen ausgestoßen hatte. Gleichzeitig wurde ihr Körper durchgeschüttelt und sie hörte die schrille Stimme über sich.
»Ruf den verdammten Vogel zurück!«
»Nein!«
»Los, ruf ihn zurück!«
»Nein!«, schrie sie. »Dann wirst du sterben!« Alina lachte nur.
»Ich lasse dich fallen. Ich schmettere dich auf das Dach deines Hauses!«
»Das traust du dich nicht. Du bist doch ein Engel - oder?«
»Das bin ich nicht!« Carlotta befand sich in einer Zwickmühle. Sie hatte noch nie einem Menschen den Tod gebracht, und sie hatte sich noch nicht einmal gedanklich mit dieser Vorstellung beschäftigt. In dieser Situation aber musste sie anders denken, denn sie konnte nicht zulassen, dass der Vogel ihre Ziehmutter tötete.
»Zum letzten Mal! Ruf den verfluchten Vogel zurück!«
»Nein! Sie soll sterben!«
»Dann eben nicht!«
Carlotta öffnete den Griff. Durch nichts wurde Alina Erskine mehr gehalten.
Ihr Körper folgte der Erdanziehungskraft. Mit abgespreizten Armen und Beinen fiel die Frau in die Tiefe und wirkte wie ein Fallschirmspringer ohne Schirm.
Krachend schlug sie auf das Dach. Es hielt den Druck sogar aus. Es war zwar ein Krachen zu hören, aber es brach nicht zusammen. Der Körper folgte der Dachneigung und rutschte dem Rand entgegen, darüber hinweg und landete auf dem Boden.
Dafür hatte Carlotta keinen Blick. Für sie gab es eine andere Aufgabe.
Sie musste alles daransetzen, um das Leben ihrer Ziehmutter zu retten…
***
So hatte sich Maxine Wells nach dem Besitz ihrer Waffe die Lage nicht vorgestellt. Sie lag auf dem Bauch und spürte das schwere Gewicht des Vogels auf ihrem Rücken. Den rechten Arm hatte sie ausstrecken können, und es war ihr auch gelungen, den waagerecht stehenden Griff der Spitzhacke zu umfassen.
Allerdings fehlte ihr die Kraft, um das Gerät aus dem Boden zu ziehen.
Und über ihre tobte der Vogel. Er drückte seine Krallen in den Rücken der Tierärztin. Er würde dort Wunden hinterlassen, woran Maxine allerdings im Moment nicht dachte. Sie hatte den linken Arm so angewinkelt, dass er teilweise ihren Kopf schützte.
Das Tier kannte kein Pardon. Sein Schnabel hackte gegen ihren Unterarm und auch in den Handrücken.
Schmerzen
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