1524 - Schreckens-Zoo
war eher unwahrscheinlich. Es musste etwas anderes mit ihm passiert sein.
Hin und wieder hob der Mann seinen linken Arm und drückte die Hand auf sein Auge. Warum er das tat, wusste wohl nur er selbst. Komisch fanden es die beiden Zuschauerinnen schon.
»Der kommt nicht zu uns, Max.«
»Ja, ich sehe es. Aber ich möchte mit ihm reden. Ich gehe zu ihm. Ist das okay für dich?«
»Klar, ich warte.«
Maxine und der Unbekannte näherten sich jetzt von zwei Seiten dem Mercedes. Auch jetzt traf der Mann mit den dunklen Haaren und dem Kinnbart keinerlei Anstalten, auf Maxine zuzugehen. Er schien sie bisher nicht einmal wahrgenommen zu haben.
Etwas ist mit ihm!, dachte Maxine und wartete ab, bis der Mann dem Mercedes so nahe war, dass er ihn berühren konnte. Er fasste ihn auch an, nur auf eine Weise, die Maxine Wells völlig überraschte. Er fiel nach vorn und stützte sich mit beiden Händen an der Kühlerhaube ab.
Maxine hörte ihn schlimm stöhnen, und er schluchzte auch auf.
Sie ging die letzten Schritte zu ihm und sprach ihn mit leiser Stimme an.
»Was haben Sie?«
Der Mann zuckte zusammen. Bisher hatte er den Kopf noch gesenkt gehalten. Nachdem Maxine gesprochen hatte, hob er ihn langsam an und drehte ihn auch so, dass die Tierärztin in sein Gesicht sehen konnte.
Der Schock traf sie tief.
Nur mit einem Auge schaute der Mann sie an. Das zweite gab es nicht mehr. Wo es mal gesessen hatte, befand sich eine blutige Höhle oder eine Wunde, und sie sah verdammt frisch aus.
Blut lag auch auf dem Gesicht und war bereits verkrustet.
Der Araber schaute mit einem Auge auf Maxine. Er bewegte seine Lippen und schaffte es nicht, auch nur ein Wort zu sagen.
»Was ist mit Ihrem Auge?«
Erst nach einigen Atemstößen hörte Maxine seine Antwort. »Weg, es ist mir genommen worden.«
»War es ein Vogel?« Der Verdacht war nicht erst jetzt in ihr hochgestiegen.
»Ja, sie…«
»Und weiter?«
»Sie sind so grausam. Ich habe überlebt, aber die anderen nicht. Meine Freunde sind tot. Alle drei. Die Schnäbel haben ihnen die Augen aus den Höhlen gerissen. Danach wurden ihre Hälse zerhackt. Sie hatten keine Chance und sind so grausam gestorben.«
»Und wie kommt es, dass Sie überlebt haben?«
»Alina Erskine wollte es so. Sie hat mich losgeschickt. Ich sollte eine Warnung für die anderen in meiner Heimat sein, die mit Vögeln jagen. Es geht ihr nur um ihre Vögel.«
»Und was wollten Sie hier?«
»Kaufen…«
»Vögel?«
Ibn Hakim richtete sich etwas weiter auf und nickte. »Ja, wir wollten sie kaufen. Falken für unsere Jagd. Die sind auch da. Hinten am Wald gibt es ein großes Gehege. Dort hält sie einige ihrer Vögel. Aber der Eingang ist offen. Die Tiere können kommen und wieder wegfliegen, wann immer sie wollen. Aber sie wollte sie uns nicht geben. Sie hasst Leute, die so etwas tun. Für sie sind wir Verbrecher, und sie hat mit uns abgerechnet wie mit Verbrechern. Ich lebe noch, aber ich weiß auch, dass dieses Leben nicht mehr lebenswert ist. Ich habe nur noch ein Auge. Das andere ist mir herausgehackt worden. Verdammt noch mal, ich habe die Hölle hinter mir und will nur weg.«
»Das kann ich verstehen. Aber wäre es nicht besser, wenn Sie sich in unsere Hände begeben würden?«
»Wieso?«
Maxine hatte ihren Entschluss in Windeseile gefasst. »Ja, es ist besser so. Wir fahren Sie zu einem Arzt, der kann Ihnen helfen.« Es passte ihr eigentlich nicht, den Rückweg antreten zu müssen, doch ein Menschenleben ging vor.
»Ja, ja, das kann sein.«
»Wir fahren mit meinem Wagen. Kommen Sie.«
Maxine fasste nach einem Arm des Mannes. Sie wollte ihn von seinem Fahrzeug wegziehen und spürte dabei, wie schwach dieser Mensch war.
Er konnte nicht von allein stehen und auch nicht gehen, denn er fiel der Frau in die Arme, und sie musste alle Kraft aufwenden, um ihn zu halten.
»Es wird schon gehen. Machen Sie sich keine Gedanken. Die paar Schritte schaffen Sie auch noch.«
»Ja, ja, ich…«
Es war Carlottas Ruf, der die Tierärztin alarmierte. Und die Stimme hatte alles andere als fröhlich geklungen.
Ohne den Verletzten loszulassen, drehte sich Maxine um.
Carlotta hatte den Wagen nicht verlassen. Aber sie war dicht an die offene Tür herangerutscht und hatte ihren Oberkörper aus dem Fahrzeug gedrückt.
Einen Arm hielt sie ausgestreckt und deutete schräg zum Himmel.
Maxine wusste, was diese Bewegung zu bedeuten hatte. Sie brauchte nicht lange zu suchen.
Drei Vögel schwebten in der Luft, und alle
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