1526 - Galaxis der Verdammten
weißem Licht. Nur still war es nachts, denn der Wind wehte nur vom Aufgang bis zum Untergang Krypthars.
Die kleine blaue Sonne stand im Zenit, als die Frau aus einem der Türme ins Freie kam. Das geschah allerdings nicht durch eine Tür. Es geschah überhaupt nicht durch eine Öffnung. Die Frau schwebte einfach durch das kristallklare Material hindurch, weil sie ins Freie wollte. Sie spürte keinen Widerstand dabei. Es schien, als wäre der Turm nur eine immaterielle Projektion.
Doch dieser Eindruck trog.
Sie merkte es, als sie draußen auf der spiegelnden Schwärze stand und eine Hand nach dem Turm ausstreckte. Ihre Finger trafen dort, wo sich die Außenfläche des Turmes befand, auf festen Widerstand. Aber sie wollte ja auch nicht zurück.
Die Frau wandte sich von dem Turm ab und musterte ihre Umgebung. Sie war jedoch nicht ganz bei der Sache, denn sie versuchte sich daran zu erinnern, wie sie nach Ma-Nu-The gekommen war und warum und was sie auf dieser Welt suchte.
Sie war in einem kuppeiförmigen Raum unter der Oberfläche angekommen. Im selben Augenblick hatte sie den Namen des Planeten und seiner Sonne gewußt.
Angekommen?
Wie angekommen?
Sie erinnerte sich nur daran, daß sie dagewesen war, daß die Luft eigentümlich gerochen hatte und daß in den Wänden verborgene Aggregate leiser werdend ausgelaufen waren.
Wo war sie vorher gewesen?
Sie schloß die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Nach einer Weile sah sie vor ihrem inneren Auge undeutlich etwas, das nur ein. Gesicht sein konnte.
Das Gesicht eines Hominiden?
Es war schmal und lang, mit hoher Stirn, zwei Augen mit goldfarbenen Pupillen, zwei Ohren, einer leicht gekrümmten Nase, einem schmallippigen Mund und einem wuchtigen Kinn. Das blauschwarze Kopfhaar glänzte metallisch und lag so eng an, daß es fast wie aufgemalt wirkte. Die Gesichtshaut war weiß und von haarfeinen Rissen durchzogen.
Tiefe Niedergeschlagenheit erfüllte die Frau. Das Bild vor ihrem inneren Auge verschwamm und erlosch allmählich.
Als sie einen gellenden Schrei zu hören glaubte, preßte sie ihre Hände gegen die Schläfen, weil sie den Verstand zu verlieren fürchtete, denn etwas war wie ein greller, heißer Blitz in ihr Bewußtsein gefahren.
Etwas, das danach gierte, sie in Besitz zu nehmen.
Und sich danach in Sicherheit zu bringen.
Die folgenden Erinnerungen waren undeutlich, da sie für einige Zeit nicht mehr sie selbst gewesen war. Etwas Fremdes hatte ihre Handlungen bestimmt und sie dazu gebracht, etwas zu tun, das offenbar dazu geführt hatte, daß sie auf Ma-Nu-The angekommen war.
Die Frau erschauderte. Sie öffnete ihre Augen wieder und nahm das Bild der Umgebung in sich auf. Gleichzeitig überprüfte sie ihre Gefühle und Gedanken.
War da noch etwas Fremdes?
Sie vermochte nichts zu entdecken. Anscheinend hatte das Fremde sich nicht in ihrem Bewußtsein halten könne, als sie von irgendwo nach Ma-Nu-The „gegangen" war. Sie war wieder sie selbst.
Sie selbst?
Wer war das?
Sie beugte sich vor und betrachtete ihr Spiegelbild in dem schwarzen Boden, auf dem sie stand.
Das Spiegelbild einer Humanoidin, jung, schlank, mit ausgeprägt weiblichen Proportionen und hellbrauner Haut. Die Nase war schmal, die großen Augen waren dunkel, und das Haar glänzte wie schwarzer Lack.
Sie gefiel sich.
Sie richtete sich wieder auf und merkte, daß sie durstig war.
Im nächsten Moment befand sie sich an einem Ort, an dem ihr Durst gelöscht wurde ...
*
„Wie sah der Ort aus?" fragte Suung. „Ich kann mich nicht erinnern", erwiderte sie. „Versuche es weiter!" drängte Poang. „An vieles hast du dich ja schon erinnert.".
Sie gab sich alle Mühe, doch es half nichts. „Es geht nicht", sagte sie niedergeschlagen. „Es ist gut, Blinde Göttin", sagte Suung. „Wir dürfen sie nicht zu sehr drängen, sondern müssen geduldig sein, Poang."
Sie fühlte sich durch diese Worte erleichtert.
Dankbar sah sie Suung ins Gesicht, das aus dem Pelz ragte, das den ganzen Körper der Ke-Ri bedeckte. Es war ein winziges Gesicht mit zwei schwarzen Knopfaugen und einer weit nach vorne ausladenden, schnauzenförmigen Mundpartie, die an einen kurzen Rüssel denken ließ. „Möchtest du etwas schlafen?" fragte Poang.
Sie, die man die Blind Göttin nannte, weil sie unter Amnesie litt, blickte zur Seite, wo Poang auf dem dicken Kissen saß, das neben ihrer Couch lag. Poang war ein Ke-Ri und Suungs Mann. Er sah genauso aus wie seine Frau: Er hatte einen
Weitere Kostenlose Bücher