1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
machen, was sie wollte.
Darauf konnte sie verzichten.
Sie schaute zu, wie Camilla die Tür öffnete. Dabei lächelte sie so seltsam, das sah Elisa selbst in dem nicht eben hellen Licht, das durch zwei Fenster fiel. Und genau dieses Lächeln machte sie misstrauisch. Es deutete auf etwas hin, das ihr nicht gefallen konnte.
Camilla stieß die Tür auf. Sie nickte ihrer Tochter zu und sagte: »Nach dir.«
»Und dann?«
»Geh hinein, zum Henker!« Sich zu wehren, war sinnlos, und so setzte sie den ersten Schritt nach vorn.
Sie zitterte dabei am gesamten Körper und erlebte wieder einen erneuten Schweißausbruch. Das Zimmer, das vor ihr lag, war nicht besonders groß und auch nicht unbedingt hell. Sie sah einen kleinen Schreibtisch, der von alten Möbeln umrahmt wurde. Auch ein Telefon entdeckte sie. Das alles bot ihr keinerlei Überraschungen. Es war etwas Anderes, das ihr den großen Schock versetzte. In einem großen Stuhl mit hoher Holzlehne saß eine Frau, die Elisa anlächelte.
»Willkommen, meine Liebe«, sagte Agnes, die Lehrerin und Nonne…
***
Nein, das kann nicht wahr sein. Das ist unmöglich. Das bilde ich mir nur ein. Dabei spielt mir die Fantasie einen Streich. An so was kann ich nicht glauben…
Elisa wehrte sich gegen dieses Bild, und doch konnte sie es nicht wegwischen.
Auf dem Stuhl saß tatsächlich Agnes und hatte auf sie gewartet. Sie lächelte sogar. Der weiche Schein einer Lampe streifte ihr Gesicht und schaffte es trotzdem nicht, den harten Ausdruck aus ihren Augen zu vertreiben. So sehr sie es sich auch wünschte.
Agnes trug ihre Nonnentracht. Das schwarze Kleid mit der engen weiße Haube. Die Farbe des Gesichts hatte ein teigiges Aussehen bekommen, und der Mund wirkte verkniffen, weil sie die Lippen so zusammengepresst hatte.
Elisa wischte über ihre Augen. Sie hörte ungewöhnliche Laute und stellte erst später fest, dass sie aus ihrem Mund drangen. Plötzlich war alles anders geworden. Da hatte die Welt nicht nur einen Riss, sie hatte auch einen zweiten erhalten, und sie spürte, wie sehr ihre Knie zitterten, sodass sie Halt suchen musste, einen Arm ausstreckte und die Hand gegen die Wand drückte.
»D… du… ahm… Sie…«
»Ja, wie du siehst.«
»Aber warum? Wieso sind Sie hier? Das kann ich einfach nicht glauben, verflucht…«
»Deine Augen täuschen dich nicht.«
»Ja, das sehe ich. Und was machst du hier? Was hast du hier zu suchen, Agnes.« Sie verfiel ebenfalls in den vertrauten Ton, ohne mit der Schwester vertraut zu sein.
»Deine Mutter Camilla ist meine Freundin, falls du das nicht gewusst hast.«
»Habe ich nicht.«
»Dann weißt du es jetzt.«
Nein, sie tat nichts. Sie konnte nichts tun. Sie stand da und war nicht mal in der Lage, den Kopf zu schütteln. Sie hatte das Gefühl, neben einem Graben zu stehen, der sich vor ihr auf getan hatte, und sie musste Acht geben, dass sie nicht hineinfiel.
Hinter ihrem Rücken stand die Mutter. Dieses widerliche Weib, dem Elisa am liebsten an die Kehle gesprungen wäre, aber sie riss sich zusammen und starrte nur Agnes an.
»Was denkst du?«, fragte diese.
»Nichts, Schwester. Ich kann nichts mehr denken. Das ist alles so schlimm und anders. Ich bekomme es nicht auf die Reihe. Ich habe das Gefühl, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Wieso, Schwester? Wieso sitzen Sie hier bei meiner Mutter?«
»Weil wir Freundinnen sind.«
»Was?«
»Ja, Freundinnen. Wir sind schon seit Jahren befreundet. Schon als du geboren wurdest. Es war abgemacht, dass wir dich großziehen würden. Das heißt, ich habe mich um dich gekümmert. Ich habe zugesehen, dass dir nichts passierte. Ich habe über dich gewacht. Es war alles so abgesprochen, denn wir wollten nicht, dass dir etwas passiert. Du bist in sicherer Obhut groß geworden. Das musste auch so sein, denn wir wollten dich auf deinen großen Tag vorbereiten, und der ist heute gekommen. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass du fliehen würdest, aber das hat sich ja alles wieder eingerenkt.«
Elisa hatte weiterhin Probleme, dies alles zu glauben. Sie schüttelte den Kopf, sie lachte sogar, und dann schlug sie sich gegen die Stirn, bevor sie ihre Worte loswerden musste.
»Ich habe alles geglaubt. Ich habe dich für eine fromme Frau gehalten. Nichts, gar nichts davon trifft zu. Du hast mir all die Jahre etwas vorgespielt. Genau das ist so verdammt schlimm. Darüber komme ich nicht hinweg. Du bist keine fromme Frau, du hast dich nur verstellt. Du bist
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