1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
dabei sogar, Luft zu holen.
John lag auf dem Boden. Er stand auch nicht mehr auf. Bis sie das verinnerlicht hatte, verstrichen einige Sekunden, und plötzlich fühlte sie sich so verdammt allein. Ihren pumpenden Herzschlag nahm sie sehr wohl wahr, und ihr stieg auch das Blut in den Kopf. Es sorgte dafür, dass sie wieder normal denken konnte, und dabei drehten sich ihre Gedanken um Camilla.
Sie musste es gewesen sein, die eingegriffen hatte. Sie war nicht weg gewesen. Sie hatte aus einer gewissen Entfernung eingegriffen und es tatsächlich geschafft, John Sinclair auszuschalten.
Jetzt bin ich wieder allein!
Es war eine Feststellung, die ihr die Furcht einjagte, an der sie jedoch nicht vorbeikam.
Die folgenden Sekunden wurden für sie zu einer Zeit der tiefen Angst.
Nichts war mehr da, was ihr noch einen gewissen Optimismus gegeben hätte. Plötzlich war die Welt um sie herum wieder so leer, und sie blieb auch weiterhin sitzen, wobei sie ängstlich nach vorn durch die Windschutzscheibe schaute.
Sie sah die Person nicht. Dafür hörte sie ihr Lachen, das so hässlich und widerlich klang. Natürlich kannte sie das Gelächter. Nur ihre verdammte Mutter lachte so, und sie war tatsächlich in der Nähe, auch wenn Elisa sie noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Bis sie dann an der Beifahrertür auftauchte und sie mit einer hastigen Bewegung aufriss.
»Hallo Töchterchen…«
Elisa sagte kein Wort.
»Freust du dich?«
Stumm schüttelte sie den Kopf.
»Ich bin wieder da, meine Kleine. So leicht lasse ich mich nicht abschütteln.«
»Gehweg!«
»Nein, ich bleibe.«
Mit dieser Antwort hatte Elisa sogar gerechnet und zeigte sich wenig überrascht.
»Und jetzt?«, fragte sie tonlos.
»Solltest du aussteigen.«
Plötzlich musste sie an John Sinclair denken. »Was ist mit ihm?«, flüsterte sie.
»Was hast du mit ihm gemacht? Ist er tot?«
»Ich denke nicht. Aber wir sind ihn los. Und das ist wichtig.« Camilla fasste nach dem Türgriff und zerrte die Beifahrertür auf. »So, jetzt steigst du aus.«
»Und warum?«
»Wir gehen zurück.«
Elisa sagte zunächst nichts. In ihrem Kopf arbeitete es. Sie dachte nach, aber sie bekam die Gedanken nicht in den Griff. Das Leben war für sie in eine andere Phase eingetreten. Sie wusste auch, dass sie nicht mehr frei entscheiden konnte.
»Ja«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Ich… ich… komme mit. Eine andere Wahl habe ich wohl nicht.«
»Wie Recht du hast, Töchterchen.«
Elisa hasste diese Ansprache. Sie hütete sich davor, dies laut werden zu lassen. Und so stieg sie aus dem Polo. In ihrem Kopf tuckerte es, und sie wusste auch, dass sie ein rotes Gesicht bekommen hatte.
Dann richtete sie sich auf.
Elisa war größer und auch kräftiger als ihre Mutter. Trotzdem fühlte sie sich der anderen Person unterlegen und sah erst jetzt, was diese Frau in der rechten Hand hielt.
Das sah wie ein Blasrohr aus…
Camilla hatte den Blick wahrgenommen. »Um deine nicht gestellte Frage zu beantworten. Ich halte ein Blasrohr in der Hand. Ich hatte es mit einem kleinen Pfeil geladen, und den habe ich auf die Reise geschickt. Der Hals des Mannes war ein gutes Ziel, und das Gift am Pfeil hat mich nicht im Stich gelassen.«
Elisa erschrak zutiefst. Plötzlich spürte sie den unsichtbaren Würgegriff der Furcht. Sie hatte große Mühe, eine Frage zu stellen und brachte kaum hörbar hervor: »Ist er… ist er…«
»Tot, meinst du?«
Sie nickte.
»Das weiß ich nicht, ob er tot ist. Es interessiert mich auch nicht. Du bist wichtig für mich, denn ich sage dir nur eines. Mutter und Tochter gehören zusammen. Wir wollen eine kleine Familie bilden, meine Liebe.«
Plötzlich musste Elisa lachen. Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten.
Das Gelächter war einfach da. In der Kehle geboren fand es seinen Weg nach außen. Es hallte durch den Wald, und erst als Camilla den Arm hob, als wollte sie damit zuschlagen, hörte das Gelächter auf.
»Was soll das? Freust du dich so sehr?«
»Nein, nein, bestimmt nicht. Ich musste einfach lachen. Du hast von einer Familie gesprochen. Ausgerechnet du! Wer hat mich denn weggegeben? Wer wollte nichts mehr mit mir zu tun haben? Das bin doch nicht ich gewesen. Das warst du, verflucht!«
»Ja, das stimmt. Ich habe es aus bestimmten Gründen getan«, erwiderte das hässliche Weibsstück. »Aus sehr bestimmten Gründen, verdammt noch mal. Ich konnte dich nicht an meiner Seite haben. Ich musste warten, und ich habe jahrelang gewartet. Es war
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