1535 - Tanz der Nocturnen
wurden angesiedelt, aber nicht eingebürgert. Warum enthält man uns den Bürgerstatus nach so langer Zeit immer noch vor? Warum werden wir als Bürger zweiter Klasse, als Sklaven und Leibeigene eingestuft?"
„Habt ihr euch schon an euren Hanse-Sprecher Tamulo gewandt?"
„Tamulo ist ein Kriecher, nicht wert, sich als Gurrad bezeichnen zu dürfen", rief Loungan verächtlich. „Ich frage dich, Chef. Du bist der Boß des Kontors. Und ich will von dir eine Antwort!"
Deix hatte genug von den Anpöbelungen der Gurrads und war es leid, sich durch diplomatische Winkelzüge herauszureden zu versuchen. „Die kannst du haben, Loungan", sagte er. „Soweit ich mich, erinnere, hast du mit Unterstützung von Navigator Karasim die Mannschaft der KANSCH zur Meuterei angestiftet, den Kapitän getötet und das Kommando über das Raumschiff übernommen, bevor wir euch aufbrachten. Du kannst froh sein, wenn du auf unserer Welt als freier Mann geduldet bist. Du bist ein Mörder und Pirat, Loungan."
„Dann befinde ich mich in bester Gesellschaft", sagte der Gurrad feixend. „Ihr Hanseaten und ich, wir gehören derselben Gilde an."
„Du hattest deine Chance, dich in unsere Gesellschaft zu integrieren, Loungan", sagte Deix eisig. „Vielleicht schaffst du das eines Tages noch. Bis jetzt ist es dir aber noch nicht gelungen. Und jetzt gib den Weg frei!"
„Das darf nicht dein letztes Wort sein, Chef", sagte der Gurrad drohend und blies Deix eine Rauchwolke ins Gesicht. Dann zielte er mit der Glut seiner Zigarre auf einen Punkt zwischen den Augen des Kontorchefs. „Ich möchte, daß endlich eine Entscheidung in meinem Sinn getroffen wird."
„Wenn du es so willst, dann wird bei der nächsten Sitzung der Hanse-Sprecher dein Fall behandelt", sagte Deix und versuchte, seinen Weg fortzusetzen. Aber die beiden Gurrads ließen ihn nicht vorbei. „Das genügt uns nicht", sagte Karasim. „Wir wollen uns nicht mit Versprechen abspeisen lassen, sondern verlangen eine feste Zusage!"
Deix stieß zornig die Luft aus und sagte: „Paßt mal auf, ihr beiden Radaubrüder. Ich werde mich nicht länger mit euch herumärgern und euren Fall an Sie übergeben. Soll Sie ein Urteil fällen. Zufrieden?"
Die beiden Gurrads wichen erschrocken zurück. „Das kannst du nicht tun", sagte Loungan eingeschüchtert. „Warum gleich Sie bemühen. Das ist die Sache nicht wert."
„Wir könnten uns doch auch so einigen", meinte Karasim. „Wir verlangen doch nicht viel, nur einen kleinen Kompromiß."
Deix blieb hart. „Es bleibt dabei. Sie soll über euch urteilen, damit der Fall endlich aus der Welt geschafft ist!"
Er packte Loungan an der Schulter und schon ihn aus dem Weg. „Überlege dir diese Entscheidung, Chef", sagte der Gurrad mit Grabesstimme; die Zigarre in seiner Pranke zitterte ein wenig.
Deix gab keine Antwort. Er setzte sich in Bewegung. Ohne sich nach den beiden umzudrehen, ging er in Richtung der Hinterzimmer davon. Dabei war ihm, als spüre er die Hitze der Zigarrenglut im Nacken. Aber er ließ sich davon nicht beirren. „Entscheide richtig, Chef!" rief ihm Loungan außer sich vor Wut nach. „Entscheide nur ja richtig!"
Deix erreichte den lärmabweisenden Energievorhang, der den Korridor mit den fünf Türen zu den Extrazimmern gegen das Lokal abschirmte. Dort stand Bendika, Igors ertrusischer Leibwächter, breitbeinig und mit verschränkten Armen. „Ben, passe auf die Gurrads auf, die mich angepöbelt haben", trug Deix ihm auf. „Es könnte Ärger mit ihnen geben."
„Wird gemacht, Chef", versprach der Ertruser.
Deix trat durch den Vorhang in den Korridor. Augenblicklich umfing ihn angenehme Stille. Er schritt die Türen ab. Über dreien von ihnen leuchtete das Besetzzeichen. Der Raum hinter der nächsten freien Tür war leer. Als Deix die letzte Tür öffnete, sah er Quint Correl am Tisch sitzen. Quint war der jüngere Bruder des vor kurzem verstorbenen, aber schon zu Lebzeiten legendären Unbred Correl.
Vor ihm auf der Tischplatte stand der Siganese Nil Souder an Quints Straabglas gestützt, das ihn um gut drei Millimeter überragte.
Deix begrüßte Quint Correl mit Handschlag und den Siganesen mit einem freundlichen „Hallo, Nil!"
„Setz dich und genehmige dir erst mal einen Schluck, Pirmin", sagte Quint Correl statt einer Begrüßung. „Was wir dir zu sagen haben, wird nicht leicht zu verkraften sein."
Deix folgte der Aufforderung und nahm einen tiefen Zug aus dem mitgebrachten Glas. Dann wischte er sich mit dem
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