1535 - Tanz der Nocturnen
Isolation, in der sich die Hanseaten von Kontor Fornax befanden. Sie müßte jederzeit die Möglichkeit haben, eine Passage nach draußen zu schaffen.
Beth wandte sich ab, ging zur Sitzlandschaft und ließ sich auf die Kissen sinken. Um sich von ihren melancholischen Gedanken abzulenken, schaltete sie den Holo-Empfänger ein.
Wenigstens war das Mediennetz noch lückenlos, und die Empfangsgeräte funktionierten tadellos und wurden penibel gewartet. Wenn es das alles einmal nicht mehr gab, dann würde Tristesse in den Alltag von Kontor Fornax einziehen, und in den Hanseaten würde etwas sterben. Und dann? Vielleicht wäre das gut so, denn dann müßte man wieder neuen Ufern zustreben, und wer weiß, vielleicht würde man sich dann auch wieder dem Universum öffnen.
Mitten im Wohnzimmer, im Fokus des Holoramas, explodierte eine Lichtkaskade und breitete sich über den ganzen Raum aus. Die Lichterflut wurde gleich darauf wieder auf einen angenehmen Dämmerschein gedimmt, und aus dem bunten, nebeligen Einerlei schälten sich allmählich Konturen und Formen heraus.
Sphärenklänge schlichen sich aus einer unbestimmbaren Quelle ins Zimmer. Nocturnenmusik.
Die Show von FTV lief bereits.
Die Nocturnen tanzten durch den Raum, umschwärmten Beth wie exotische Falter, entfernten sich in Spiralbahnen und kamen flatternd zurück-, schlugen Salti und Pirouetten, vereinten sich zu Reigen und stoben sternförmig wieder auseinander.
Fast gegen ihren Willen wurde Beth von dem Schauspiel gefangengenommen und mehr und mehr vom Tanz der Nocturnen fasziniert. Und die Nocturnenmusik trug sie mit ihren zarten Klangwellen allmählich in unwirkliche Gefilde empor. Fort von der tristen Realität, die kummervollen Gedanken über Kim und ihre Siganesenfamilie wurden hinweggeschwemmt.
Beths Kritikfähigkeit drohte mit Fortdauer der Show immer mehr zu schwinden. Sie ließ sich von der Sphärenmusik einlullen, vom Tanz der Nocturnen blenden. Wie leicht es war, sich diesem seichten Genuß hinzugeben, sich einspinnen zu lassen in den Reigen der wogenden, flatternden und fünfdimensional schwingenden Quarzmembranen der Nocturnen, verwoben in das Klangmuster ihrer Musik.
Aber erst die Hi-Tech, Sie und VATER machten es in einmaliger Synthese möglich, daß die Hanseaten an diesem Wunder der Natur so lebendig und lebensnah teilhaben durften.
VATER, der junge, aus drei Stöcken bestehende Nocturnenstock des Faalin-Systems, lockte mit seinen verführerischen Impulsen die Nocturnen der Schwarmphase zum 14. Planeten und brachte sie zum Tanzen.
Die große Hyperfunkanlage des 14. Planeten empfing die Impulse der schwärmenden Nocturnen und speiste sie in einen speziellen Emulator ein. Und Sie setzte diese Hyperimpulse in für Hanseaten hörbare, adäquate Klangfolgen um und komponierte daraus eine monumentale Musik.
Das Wohnzimmer vibrierte unter den Klängen, das ganze Haus wurde davon erfaßt und fortgetragen in eine andere Dimension, in die Welt der Sinne und der Sinnlichkeit.
Und die Nocturnen tanzen dazu.
Wahrend sich die jüngeren Nocturnen, die noch nicht einen Durchmesser von hundert Metern erreicht hatten und darum von VATERS Lockimpulsen unbeeindruckt blieben, absonderten und im Orbit des 14.
Planeten verweilten, folgten die ausgewachsenen Nocturnen VATERS Lockrufen und schwebten zur Oberfläche der atmosphärelosen Welt hinab. Die Membranwesen mit Durchmessern von 100 Metern waren in solche Verzückung verfallen, daß ihre hauchdünnen Körper in Erwartung der Vereinigung mit dem Nocturnenstock konvulsivisch zu zucken begannen.
VATER war mit rund 650 Jahren noch relativ jung. Aber dank der Unterstützung von MUTTER und Sie, hatte er in dieser kurzen Zeitspanne bereits drei Stöcke von jeweils zweihundert Metern Höhe bilden können.
In dieser Nacht würden alle drei Stöcke um ein beachtliches Stück wachsen.
Die Nocturnen der Schwarmphase senkten sich nach und nach auf den Stock, und VATER wurde mit jeder Lage zentimeterweise größer. Dieser Vorgang wiederholte sich tausend und zehntausendmal.
Und es war aus der Nocturnenmusik herauszuhören, wie VATER wuchs und durch den Zustrom Zehn- und Hunderttausender Nocturnen an Intelligenz gewann.
VATERS Reizimpulse versetzten viele der älteren Nocturnen des Schwarmes in solche Verzückung, daß sie dazu angeregt wurden, sich zu teilen. Anstatt sich mit dem Stock zu vereinen und ein Teil des Turmes aus dunklem Schwingquarz zu werden, bekamen die Membrankörper durch die ekstatischen
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