154 - Die Kralle des Todes
besetzt war…
Sie hetzte hoch, war an der Tür. Angelina machte eine Handbewegung. Das Metall glühte jäh auf und verschweißte Tür mit Rahmen. Carina prallte entsetzt zurück. Die Notbremse…
Wieder machte Angelina eine Handbewegung. Auch die Notbremse verschmolz zu einem unförmigen Klumpen.
„Was hast du davon, wenn du mich tötest?" fragte Carina zitternd. „Ich verschwinde, ich werde dir nie mehr in die Quere kommen."
„Das glaube ich dir gern", sagte Angelina. Übergangslos streifte sie den Overall ab. Ihr Körper veränderte sich, die Teufelsattribute wuchsen hervor. Nur in ihrer Dämonengestalt konnte sie ihre mörderischen Fähigkeiten spielen lassen. Carina schrie auf. Sie wußte, daß Angelina sie
jetzt
töten wollte. Sie versuchte einen Abwehrzauber, der aber gegen die Kräfte der Dämonin kläglich versagte. Angelina ballte die Faust und schlug zu. Benommen sank Carina auf die Sitzbank zurück. Carina konnte es nicht verhindern, daß die Hände der Teufelin ihre Stirn berührten. Sie fühlte, wie Angelina etwas aus ihr heraussaugte.
Auf dem Gang erklangen Schritte. Jemand rüttelte an der zugeschweißten Tür. Der Schaffner. „Öffnen Sie! Fahrkartenkontrolle, bitte!"
Carina wollte schreien. Aber es gelang ihr nicht. Ein unerklärlicher Bann lag über ihr. Und Angelina entriß ihr weiterhin etwas…
Lebenskraft…
Carina sah sich selbst in der spiegelnden Fensterscheibe. Sie sah, wie sie um Jahre alterte, um Jahrzehnte. Begierig sog die Dämonin die Lebensenergien, die Zeitenergien, in sich hinein. Sie entriß Carina die ihr eigentlich noch verbleibende Lebensspanne. Und diesmal gönnte sie sich nicht den Triumph, ihr Opfer durch den Schock des Erkennens sterben zu lassen. Sie ließ keinen Rest in Carina. Sie nahm alles.
Carina starb als hundertjährige Greisin.
Draußen hatte der Schaffner es aufgegeben, an der Tür zu rütteln. Er hatte bemerkt, daß sie verschweißt war, und holte Kollegen hinzu, die die Tür mit Werkzeug aufbrechen sollten. Er ahnte nicht zu Unrecht, daß hinter dieser Tür etwas Furchtbares geschehen mußte.
Angelina öffnete derweil das Abteilfenster. Der Zug befand sich bereits weit außerhalb der Stadt in freier Landschaft. Angelina rollte den Overall zu einem Bündel zusammen, das sie in die Hand nahm. Dann kletterte sie halb aus dem Fenster, entfaltete ihre Schwingen und stieß sich steil nach oben ab. Niemand, der aus dem Fenster sah, konnte sie entdecken. Sie schwebte in der Luft, bis der Zug außer Sichtweite war, dann flog sie zum nächstgelegenen Hügel. Dort wartete Grom auf sie. Er formte seine Hand zu einer bequemen Sitzgelegenheit und trug Angelina mit sich fort, zurück in die Nähe der Ewigen Stadt. Angelina formte ihre Dämonengestalt zurück, und auf Groms Hand mehr liegend als sitzend, ließ sie sich von dem Ungeheuer tragen und genoß nackt die bräunende römische Wintersonne.
An den toten Greisinnenkörper, der im nächsten Bahnhof gefunden wurde und Erschrecken auslöste, verschwendete sie keinen Gedanken mehr.
Coco war entsetzt.
Aber sie bemühte sich, Dorian ihr Entsetzen nicht zu zeigen. „Wir haben es geschafft, Rian", log sie. „Wir haben den Keim erst einmal gestoppt."
„Mach mir nichts vor", erwiderte er. „Ich spüre, daß es nicht gelungen ist. Warum belügst du mich? Es ist aus, Coco."
„Du bist ein Narr", erwiderte sie.
„Ein Narr, der nicht mehr hoffen will. Warum nicht, Rian? Warum kämpfst du nicht mehr? Willst du deinen Feinden diesen Triumph gönnen?"
„Es spielt keine Rolle, ob ich kämpfe oder nicht", sagte er mit schwacher Stimme. „Ich bin nur realistisch. Warum soll ich die letzten Kräfte, die ich habe, für einen sinnlosen Zweckoptimismus vergeuden? Laß mich in Ruhe."
„Würde ich dich nicht lieben, müßte ich dich jetzt hassen", sagte Coco bitter und verließ das Zimmer.
Nicht einmal für eine Stunde hatte die verzweifelte Anstrengung ausgereicht! Die zehrende Krankheit schritt weiter voran.
Im Grunde hat Dorian doch recht,
sagte eine innere Stimme.
Egal, was du tust - er stirbt. Es gibt keine Rettung. Sieh es ein, gib auf. Versuche, Angelina zu finden und sie zur Rechenschaft zu ziehen. Für Dorian kannst du nichts mehr tun!
Aber sie wollte es nicht wahrhaben.
Auch wenn sie beide eine sehr freie Partnerschaft führten und an Freuden des Lebens mitnahmen, was sich mitnehmen ließ - sie liebten sich ohne Eifersucht. Und: Dorian war der Vater ihres Kindes. Sie mußte um ihn kämpfen. Solange, bis
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