154 - Die Macht der Nosfera
verteilen.«
Navok sah nach Osten, in den roten Horizont, und nickte zustimmend. Blacks Idee klang vernünftig, besaß aber einen Haken.
»Damit wird das Problem aber nur um einige Tage verschoben«, schränkte der er ein. »Früher oder später müssen die deinen ganz ohne ihre Medizin auskommen.«
Black wärmte sich die Finger an der Tasse, ohne zu trinken.
Ihn graute schon vor der Zeit, in der das Serum endgültig zur Neige ging. Bei wie vielen Technos würde das natürliche Immunsystem wieder anspringen? Fünfzig Prozent? Mehr?
Oder doch viel weniger?
Vielleicht raffte es sogar alle dahin. In einer durch ganz normalen Schupfen ausgelösten Epidemie. Er durfte gar nicht darüber nachdenken, sonst wurde ihm ganz schlecht.
»Wir werden Kräuter sammeln«, riss ihn Navok aus seinen düsteren Gedanken. »Es ist die richtige Jahreszeit dafür. Wir finden unterwegs alles, was wir benötigen. Es gibt Salben und Tees, die gegen viele Krankheiten helfen.«
»Klingt gut.« Black nahm einen Schluck von seinem dünnen Kaffee. »Ohne euch wären wir wirklich aufgeschmissen.«
»Wir brauchen außerdem Reittiere.«
Mit dieser Wendung des Gesprächs hatte Black nicht gerechnet. Verblüfft sah er auf, während Navok fortfuhr:
»Wenn deine Leute in der Wildnis erkranken, sind sie zum Tode verurteilt. Wir brauchen bald ein festes Lager, mit Schwitzhütten. Möglichst in einer der großen Siedlungen, westlich von hier. Doch wir müssen uns beeilen. Ich kann bereits den ersten Schnee riechen.«
»An was für Reittiere denkst du?«
»Vor allem an Frekkeuscher und Andronen. Auf ihnen haben mehrere Personen Platz.«
Black lachte freudlos auf. »Tatsächlich? Und wo sollen diese Riesenviecher herkommen? Die sind nicht leicht zu fangen. Selbst wenn ihr welche aufstöbert, so müssen sie auch noch gezähmt werden. Das wird sehr viel Zeit kosten. Zeit, in der wir genauso gut zu Fuß nach Westen marschieren können.«
Navoks tief liegende Augen fixierten Black. »Eigentlich hatte ich an bereits gezähmte Tiere gedacht. Die hiesigen Stämme sind keine Waldläufer, nicht mal der, mit dem wir uns vor ein paar Tagen herumschlagen mussten.«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!« Black ging ein Licht auf. »Haben euch die Kerle etwa nur verfolgt, weil ihr sie ausrauben wolltet?«
»Wir haben keinen einzigen Frekkeuscher angerührt«, wehrte Navok ab. »Die waren ohnehin alt und klapprig. Nein, bei den Unstimmigkeiten ging es eher um…«, er dämpfte ein wenig die Stimme, »… Mundraub. Wenn du verstehst, was ich meine.«
Black verstand sehr gut und erbleichte entsprechend.
»Nun schau nicht so böse.« Navok kicherte amüsiert. »Wir wollten doch niemanden umbringen, nur ein paar Freiwillige zur Ader lassen. Wären die Kerle nicht so stur gewesen, hätte niemand sterben müssen.«
»Trotzdem ist es besser, wenn wir den Technos nichts davon erzählen.«
»Ach was.« Navok winkte lässig ab. »Den Höhlenmenschen kommt unsere Hilfe sehr gelegen. Dafür sind sie auch bereit, über einige Unannehmlichkeiten hinweg zu sehen, solange sie nicht selbst davon betroffen sind. Glaub mir, Black, Menschen sind sehr anpassungsfähig, wenn es ums nackte Überleben geht.« Nachdem er geendet hatte, schöpfte er warmes Wasser aus dem Kessel und trank in kleinen Schlucken.
Mr. Black glaubte einen Schlag in der Magengrube zu spüren. Verdammt, verhielten sich die Bluttempler nur deshalb so kooperativ? Weil sie die Technos von sich abhängig machen und zu Raubzügen zwingen wollten? Damit würden sie eine unheilvolle Macht erlangen, die alle ins Verderben reißen konnte.
»Ich bin kein Bluttempler mehr«, erklärte Navok zwischen zwei Schlucken und machte damit wieder einmal deutlich, dass er ein sehr starker Telepath war. »Graz und ich liegen mit Radek und den anderen keineswegs auf einer Linie. Aber auch ich bin der Meinung, dass wir das Wohl unserer Gemeinschaft über das der fremden Stämme stellen müssen, wenn wir den kommenden Winter überleben wollen. Die ganzen Ehrbegriffe, die du vor dich her schiebst, behindern uns nur. Darunter werden viele Technos zu leiden haben.«
Mr. Black verspürte keinen Durst mehr. Angewidert kippte er den Kaffeerest ins Feuer, wo er zischend verging. »Mit mir sind keine Raubzüge zu machen«, stellte er klar. »Ebenso wenig mit den Menschen unter meinen Kommando. Da habt ihr euch die Falschen ausgesucht.«
Navok trank die Plastiktasse leer, bevor er antwortete: »Um uns geht es nicht. Wir Nosfera
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