1540 - Das Drachenriff
der Mitte dicker. Ich kann mir vorstellen, dass es auf dem Weg nach oben festklemmt. Das ist mein Vorschlag. Ansonsten weiß ich nichts mehr.«
Gudrun und Tore schauten sich an. Keiner von ihnen hatte einen anderen Vorschlag. Sie hoben die Schultern, dann nickten sie sich zu, und Purdy war froh, keine Gegenstimme zu hören.
»Aber denkt daran«, sagte sie, »die Treppe ist eng.«
Gudrun lächelte gequält. »Das packen wir schon.«
Nach ihrer Antwort donnerte es wieder gegen die Tür. Diesmal noch härter als sonst. Obwohl es ziemlich dunkel war, nahmen sie trotzdem wahr, dass die Halterungen des Balkens anfingen, nachzugeben. Es knirschte, und einem nächsten Rammstoß würde die Tür kaum etwas entgegensetzen können.
Ruhe trat ein.
Jetzt waren die Atemzüge der Wartenden zu hören. Sie hatten sich schon zurückgezogen. Wenn die Tür brach, würden sie von den Holzteilen oder Splittern nicht getroffen werden.
Aber sie hatten trotzdem noch ein paar Schritte zu laufen, um ihre Position zu erreichen.
Erst nachdem eine Weile der trügerischen Ruhe verstrichen war, fand Tore seine Stimme wieder.
»Und jetzt?«, fragte er leise. »Hat das Monstrum vielleicht aufgegeben?«
Als Antwort erntete er von seiner Freundin ein Lachen, das rau klang.
Auch Purdy schüttelte den Kopf. Sie glaubte nicht an Wunder. Sie glaubte eher daran, dass der Seedrache noch einmal all seine Kräfte sammelte, um dann mit letzter und brutaler Wucht so zuzuschlagen, dass nichts mehr hielt.
Allmählich verlor auch sie die letzte Hoffnung.
Sie spürte einen leichten Schwindel und hatte manchmal den Eindruck, als würde sich der Boden unter ihren Füßen bewegen. Die kleine Hoffnung, dass Suko oder John Sinclair in absehbarer Zeit erschienen, sackte auf Null, und sie spürte, dass irgendwelche Kräfte ihre Brust zusammenschnürten und ihr den Atem nahmen.
Plötzlich zuckten die drei Menschen zusammen. Sie hatten einen Schrei gehört. Von ihnen hatte ihn niemand ausgestoßen. Er war draußen vor dem Turm erklungen.
Und es war auch kein Schrei, der als menschlich bezeichnet werden konnte. So blieb nur das verdammte Ungeheuer übrig, das ihn ausgestoßen haben konnte.
Es war der Anfang vom Ende.
Der nächste Schlag erfolgte, und es war der letzte, der alles entscheidende.
Die Halterungen wurden aus dem Holz gefetzt. Der Balken flog in den Raum hinein und prallte polternd gegen eine Wand. Die Tür barst.
Es kam ihnen vor wie ein gewaltiger Donnerschlag. Holzsplitter jagten wie Geschosse in den Turm hinein, und sie hatten Glück, dass keiner sie traf.
Licht drang in das Innere des Turm. Allerdings nicht so viel, als dass sie die Umgebung perfekt hätten sehen können, denn da gab es noch immer das verdammte Monstrum, das ihnen einen Teil der Sicht nahm.
Das Untier aus der Tiefe hatte sich nach dem Einsturz der Tür ein wenig zurückgezogen. Den langen Reptilienhals hatte es erhoben. Er schwankte von einer Seite zur anderen, und das Maul stand weit offen.
Es hätte jeden normalen Menschen verschlingen können, daran gab es nichts zu rütteln.
Das Monstrum blieb nicht still. Tief in seiner Kehle entstand ein fürchterlicher Laut. Es war ein Keuchen oder Fauchen, das den drei Menschen entgegenwehte. Ein Laut, der ihre Angst noch steigerte und dafür sorgte, dass sie sich weiter zurückzogen, bis sie schließlich den Beginn der Treppe erreicht hatten.
Noch stiegen sie nicht hoch, denn Purdy hatte ihnen geraten, etwas zu warten.
Das Monstrum lauerte nicht mehr lange an seinem Platz. Erneut drang dieses wahnsinnige Geräusch an ihre Ohren, und dann ging ein Ruck durch den massigen Körper. Er schnellte nicht in die Höhe, er hatte etwas ganz anderes vor.
Mit der langen Kopfseite zuerst drückte sich der Seedrache durch die Türöffnung in den Turm hinein. Der flache Schädel drehte sich dabei, das Maul schloss sich nicht, und die drei entsetzten Gefangenen starrten auf die langen Zähne, die wie Säbel wirkten.
»Es kommt!«, kommentierte Gudrun mit Zitterstimme. »Verdammt, der Albtraum wird wahr!«
»Geht schon hoch!«, flüsterte Purdy scharf. »Los, sofort! Ich komme dann nach.«
»Aber wieso…«
»Keine Einwände mehr! Geht!«
Gudrun war wie erstarrt. Tore zerrte seine Freundin kurzerhand mit, und beide hatten Glück, dass sie nicht stolperten.
Die Stufen waren nicht nur eng, sondern auch schmal. Beide drehten sich, hielten sich fest, und Purdy war froh, als die Schritte hinter ihr allmählich verklangen.
Noch lauerte das
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