1541 - Ball der Vampire
hier aufnehmen.«
Doreen konnte es noch immer nicht richtig glauben.
»Ist das auch alles wahr?«
»Ja, du musst dir keine Gedanken machen. Es ist wahr. Er kommt, und ich denke, dass wir jetzt den Platz tauschen sollten. Du wirst dich hier auf diesen Stuhl setzen und ihn erwarten. Er wird dich sehen, er wird zu dir eilen, und dann brauchst du nur zuzubeißen. Er wird sich bestimmt nicht wehren, wenn er in deinen Armen liegt, das kannst du mir glauben. Er ist verrückt nach dir. Er will dich zurückhaben, und wir werden ihm vorgaukeln, dass wir ihm diesen Gefallen erweisen.«
Doreen war noch immer fassungslos. Sie fragte mit einer leisen, zischenden Stimme: »Darf ich ihn wirklich beißen? Darf ich sein Blut trinken?«
»Ich will es sogar.« Sie schrie auf. Es war ein Jubelschrei.
Sie rutschte vom Schoß des Vampirs mit der roten Haut. Sie kannte nicht mal seinen Namen, er war für sie trotzdem der Held, denn er hatte ihr die neue Existenz gegeben. Sie würde bald durch das Blut ihres Freundes Kraft schöpfen und danach wieder mit ihm vereint sein.
Beide tauschten die Plätze.
Auf dem Stuhl mit der hohen Lehne fühlte sich Doreen irgendwie einsam, denn er war von den Ausmaßen her zu groß für sie. Doch das nahm sie hin, sie war überglücklich, dass der Meister ihr diesen Platz überlassen hatte.
Er hatte sich von ihr zurückgezogen und beobachtete sie aus einer gewissen Entfernung. Dass er zufrieden war, deutete er durch ein Nicken an.
»Wir lassen dich jetzt allein. Wenn Yago Tremaine kommt, dann gehört er dir.«
Doreen nickte freudig.
Die anderen Blutsaugerinnen kreischten auf. Weshalb sie das taten, wusste Doreen auch nicht, aber sie klammerten sich an ihrem Meister fest, als hätten sie Angst davor, dass er sie verlassen könnte.
Der Meister nahm seine Gespielinnen mit, als er sich in den Hintergrund des dunklen Raumes zurückzog. Die Schritte verstummten, auch das Kichern der Blutsaugerinnen.
Dann war Doreen allein in einer grauen, schwammigen Düsternis…
***
Yago Tremaine wusste selbst nicht zu sagen, was mit ihm los war. Er kannte den Spruch »Liebe macht blind«, aber er hätte nie gedacht, dass er auch einmal auf ihn zutreffen könnte.
Er war alles andere als ein netter Mensch. Das konnte er in seinem Job auch nicht sein, aber Doreen hatte ihn innerlich gewandelt, und das war einfach nicht zu begreifen.
Und jetzt war sie ihm brutal entrissen worden.
Genau das konnte und wollte er nicht zulassen.
Tremaine gehörte zu den Menschen, die ihre Probleme allein lösten, deshalb hatte er auch den beiden Bullen so spät Bescheid gegeben.
Dort, wo er Gefahr lief, von der Polizei erwischt zu werden, hatte er sich noch an die Verkehrsregeln gehalten. Später fuhr er schneller und gab seinem Audi A6 die Sporen. Er war ein Wagen mit Allradantrieb, er liebte ihn und seine Schnelligkeit, aber auf den engeren Straßen kam er nicht so voran, wie er es sich gewünscht hätte.
»Ich finde dich. Ich hole dich da raus. Ich werde dich befreien und alle anderen zur Hölle schicken!«
Stets wiederholte er diesen Satz, um sich Mut zu machen. Er war zudem froh, dass er sich bisher nicht verfahren hatte und seinem Ziel, dem einsamen Haus, immer näher kam.
Vor ihm tanzte das Fernlicht, das er eingeschaltet hatte. Ab und zu sah er den Mond über sich, der eine Beule bekommen hatte.
Blätter wurden durch den Fahrtwind in die Höhe gewirbelt, und die Straße vor ihm schimmerte feucht.
Tremaine erreichte eine schmale Kreuzung. Hier musste er abbiegen, und er würde, wenn alles stimmte, direkt auf das Haus zufahren, in dem seine Freundin gefangen gehalten wurde.
Ja, es war eine Gefangenschaft. Etwas anderes konnte und wollte er sich auch nicht vorstellen.
Tremaine dachte an die Zeiten, als er sich noch auf der Straße hatte behaupten müssen, um sich Respekt zu verschaffen. Da hatte er auch geschossen, um sein Imperium aufzubauen.
Das war jetzt alles vergessen. Es gab nur noch Doreen, die er unbedingt befreien musste.
Der Wagen schwankte. Das kalte Licht vor ihm tanzte auf und nieder und plötzlich traf es ein Ziel.
Er sah das Haus in seiner vollen Breitseite. Unwillkürlich bremste er ab und überlegte, ob er die letzten Meter zu Fuß gehen sollte.
Tremaine entschied sich dagegen. Er fuhr weiter und entdeckte plötzlich das helle Wohnmobil. Es passte seiner Meinung nach nicht in diese Umgebung. Er wollte auch nicht über den Grund nachdenken, warum es hier parkte, seine Freundin war ihm
Weitere Kostenlose Bücher