1545 - Vampirtränen
sie die Hälfte erreicht hatte, stieß sie die angewinkelten Beine nach vorn.
Die schuhlosen Füße trafen Claras Bauch.
Die Blutsaugerin lachte nur. Es hörte sich wie ein Giften an. Dann warf sie sich auf Jane.
Die trat wieder zu. Es war ihr leider nicht gelungen, sich von der Stelle zu bewegen, und diesmal war der Tritt auch nicht hart genug. Er verschaff te ihr keine Luft. Mit ihrem Körpergewicht drückte die Unperson sie fest zu Boden, um endlich ihr Blut trinken zu können.
Jane riss die Arme hoch. So viel Bewegungsfreiheit hatte sie schon noch. Und ihre Hände fanden auch ein Ziel. Sie umkrallten den Hals der Untoten. Ihre Fingernägel gruben sich in die Haut. Ein Mensch hätte laut geschrien. Doch Clara spürte keine Schmerzen. Durch die Gier nach Blut war sie zudem wie von Sinnen und drängte ihren Körper trotz des Gegendrucks auf Jane zu.
Lange würde Jane die Position nicht halten können. Irgendwann würden ihr die Arme einknicken, so sehr sie sich auch anstrengte. Ihr Mund stand weit offen. Sie schnappte nach Luft. Sie keuchte, und Speichel traf das Gesicht über ihr.
Es geschah plötzlich und ohne Vorwarnung. Ihre Arme knickten ein. Der schwere Körper über ihr fand keinen Widerstand mehr, und Clara brach über Jane Collins zusammen.
Der offene Mund wischte dicht an Janes Gesicht vorbei. Sie nahm einen ekligen Gestank wahr, der ihr in die Nase wehte, und sie wusste jetzt, dass sie sich auf der Verliererstraße befand.
Da hörte sie das Poltern.
Jane konnte sich in den ersten Sekunden keinen Reim darauf machen, bis sie die Stimme hörte, die ihr vorkam wie ein Ruf aus einer anderen Welt.
»Verdammt noch mal, was soll das?«
Justine Cavallo war da!
***
Jane sah die blonde Bestie nicht, weil ihr die Sicht verdeckt wurde, aber sie erlebte die nächste Aktion der Blutsaugerin.
Justine Cavallo gehörte zu den Wiedergängern, die mit besonders starken Kräften ausgestattet waren. Sie fiel nach unten, packte Clara und zerrte sie von Jane Collins weg.
Die Untote kam nicht mal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen. Sie war zu sehr überrascht. Sie zappelte in der Luft, sie trat und schlug um sich, was ihr nichts half, Justine Cavallo schleuderte ihre Artgenossin über Jane Collins hinweg zu Boden.
Der Untergrund vibrierte, als sie aufprallte. Das bekam auch Jane mit, die sich zur Seite drehte und sich aus eigener Kraft auf die Knie erhob.
Sie hörte sich selbst keuchen und sah, wie sich Clara am Boden zusammenkrümmte wie ein Fötus.
Justine war noch nicht fertig mit ihr. Sie ging hin und riss sie wieder hoch. Clara wollte nach ihr greifen. Sie schaffte es nicht, denn Justine schleuderte sie bereits wieder von sich.
Diesmal prallte die Untote gegen die Innenseite der Haustür. Sie war zum Glück stabil genug, um nicht zu bersten.
Clara krachte zu Boden. Sie hätte sich von dort erheben können, doch sie blieb liegen, weil Justine Cavallo wie eine Scharfrichterin über ihr stand und auf sie nieder schaute.
»Ich könnte dich jetzt in Einzelteile zerhacken, ja, das könnte ich. Aber ich will Gnade walten lassen, schließlich bin ich auch eine von euch. Nur sage ich dir, dass ich deinen Weg nicht unterstützen werde. Ich bleibe nicht an deiner Seite, wenn du dich rächen willst. Das kannst du auch Mallmann bestellen. Sei froh, dass ich dir noch eine Chance gebe.«
Nach diesen Worten bückte sie sich, packte diesmal mit einer Hand zu und zerrte mit der anderen die Tür auf.
In den nächsten Sekunden war alles vorbei. Wie ein Sack Lumpen wurde die Blutsaugerin ins Freie geschleudert. Sie prallte auf den harten Weg, überrollte sich dort, und Justine schloss die Tür wieder.
Sie drehte sich um.
Jane Collins kniete noch am Boden. Sie atmete schwer und strich über ihren Hinterkopf. Aus großen Augen starrte sie Justine an, die noch immer keinen Fetzen Stoff am Leib trug und aussah wie eine entkleidete Barbie-Puppe.
»Sie drehte durch, nicht?«
Jane nickte.
»Du hast Glück gehabt.«
»Muss ich dir jetzt dankbar sein?«
Justine lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor ihrer nackten Brust. Dabei lachte sie scharf.
»Wie man’s nimmt Jane. Du hast nicht gut ausgesehen ohne Waffe, und mit zwei Schuhen kann man uns nicht vernichten.«
»Ich hätte es schon geschafft.«
»Egal, ich will dir deine Illusion nicht rauben, aber ich habe mir gedacht, dass es mir in deinem Haus zu einsam wäre. Wir haben uns doch aneinander gewöhnt.«
»Meinst du?«
»Ich habe es
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