1545 - Vampirtränen
meine Freundin und Ziehmutter vernichtet, und ich habe viel zu lange warten müssen. Ich habe bereits einen Versuch gestartet. Er hat nicht gereicht. Ich bin zu unvorsichtig gewesen. Man hätte mich fast erwischt, und so bin ich gekommen, um mir Hilfe zu holen, nachdem man mich rettete.«
Justine lächelte. »Ich soll dir also helfen, deine Rache zu erfüllen. Deshalb bist du hier?«
»Ja, nur deshalb.«
»Sehr gut gedacht«, lobte Justine. »Ich könnte beinahe begeistert sein, aber ich bin es nicht, und ich will es auch nicht sein. Hast du verstanden?«
»Dann begleitest du mich nicht?«
»Wohin denn?«
»In den Ort, wo ich einmal gewesen bin. Wie auch meine Mutter. Aber das ist lange her.«
»Wie lange?«
»Fast hundert Jahre.«
»Oh«, wunderte sich Justine. »So lange bist du schon auf der Welt?«
»Ja, aber was ist schon Zeit. Ich habe lange, sehr lange schlafen müssen. Ich war so schwach. Ich bin fast ausgetrocknet gewesen, aber ich habe es überstanden und ich habe mich wieder mit dem Blut gefüllt. Jetzt bin ich stark genug, um meine Rache beginnen zu können, und niemand wird mich davon abbringen.«
Jane Collins versuchte es trotzdem.
»All die Menschen, die du vernichten willst, sind längst tot. Begreifst du das nicht? Es hat keinen Sinn mehr. Du lebst, aber sie…«
»Ich hole mir die anderen. Ich will Blut, und ich will ein besonderes Blut trinken. Ich habe mich einmal bei ihnen gezeigt, und ich weiß auch, dass die alte Geschichte nicht vergessen ist. Man spricht noch über die Vernichtung meiner Ziehmutter.« Sie lachte rau auf. »Und das alles will Ich zurückholen.«
Weder Justine noch Jane waren begriffsstutzig. Die Cavallo fragte: »Und weshalb sollte ich dir helfen, wo du doch so genau über alles Informiert bist?«
»Mich kennt man.«
»Das ist wohl wahr.«
»Aber man kennt dich nicht. Du könntest der Joker sein. Mich kann man jagen, aber du wirst zuschlagen, und so kommst du auch an frisches Blut heran.«
Justine sagte zunächst nichts. Sie nickte nur. Sie schaute Clara aus ihren kalten Augen an, und der Blick bekam irgendwann etwas Abschätzendes.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich darauf eingehe? Ich lasse mich nicht zur Handlangerin eines Dracula II machen, auch wenn dies nur indirekt geschieht. Wenn du das Blut bestimmter Menschen trinken willst oder muss, dann tu es. Aber ohne mich. Man hat dich in der Vampirwelt wohl schon vorbereitet. Bitte, ich habe nichts dagegen, dass du deinen Weg allein gehst. Aber lass mich in Ruhe.«
Justine hatte die Worte scharf gesprochen. Sie warf Clara einen letzten Blick zu, drehte sich um und verließ ihren Platz in der offenen Tür. So blieben Jane Collins und die Blutsaugerin allein zurück.
Es war alles gesagt worden. Es wurde still im Zimmer, und die beiden so unterschiedlichen Frauen starrten sich an. Jeder versuchte im Gesicht der anderen etwas herauszufinden, um seinem Gegenüber zuvorzukommen, aber es blieb beim Schweigen.
Janes Gedanken bewegten sich in eine bestimmte Richtung. Dass sie und Justine Cavallo unter einem Dach lebten, das passte ihr noch immer nicht und würde ihr auch nie passen, aber sie hatte sich damit arrangiert, auch deshalb, weil Justine an Janes Blut kein Interesse gezeigt hatte.
Bei einigen Fällen hatten sie sogar zusammengearbeitet und sich auch gegen Blutsauger verteidigt. Jetzt aber lagen die Dinge anders.
Diese Vampirin namens Clara würde nicht so reagieren wie die Cavallo.
Sie stand unter Druck. Zwar hatte sie erklärt, sich mit Blut gesättigt zu haben, aber das bedeutete nicht, dass sie so satt war, um nichts mehr zu trinken.
Normalerweise war eine Begegnung mit einem Blutsauger kein Problem für Jane. In diesen Fall allerdings war es anders. Sie saß hier in Lady Sarahs Wohnraum, sie war vom Essen gekommen, und in das Lokal hatte sie keine Waffe mitgenommen. Ihre mit geweihten Silberkugeln geladene Pistole lag oben in der kleinen Wohnung. Wenn Clara ihr Blut wollte, dann würde sie sich mit den bloßen Händen verteidigen müssen.
Der Blick der Untoten gab Jane preis, dass sie über etwas Bestimmtes nachdachte, und das war sicher nicht positiv für die Detektivin. Es war ein böser und schon gefährlicher Blick und einer, der auf eine gewisse Weise auch hungrig war.
Jane Collins versuchte es mit Lockerheit.
»Man kann nicht immer Glück haben«, sagte sie leise.
Clara zischte nur. Ein Zeichen, dass sie verdammt wütend war. Aber Jane entdeckte auch etwas anderes an ihr, was sie
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