1547 - Adel vernichtet
verloren und so ein Thema für eine gewisse Zeit wieder hochgespült wurde.
Und hier?
Dinah glaubte nicht daran, dass es eine Premiere war. Diese perverse Familie hatte sich schon öfter…
Ihre Gedanken brachen ab, weil sie die verfluchten Schmatzgeräusche hörte. Sie hasste die Geräusche. Das Essen schien Vater, Mutter und Sohn perfekt zu munden, und sie fragte sich, welch ein Typ dieser Butler war, der sich zwar in der Nähe aufhielt, sich aber nicht blicken ließ und nur dann erschien, wenn er musste.
»Sie sehen schlecht aus, meine Liebe.« Marquis de Geaubel deutete mit der Gabel auf sie. »Wirklich, Sie sehen alles andere als gut aus, meine Teure.«
»Mir ist übel!«, würgte sie hervor.
De Geaubel kratzte sich mit der freien Hand am Ohr. »Ja, das sieht man Ihnen an.«
»Ich - ich - kann nicht mehr hier am Tisch bleiben und zuschauen, wie Sie…«
»Oh, das verstehe ich sehr gut. Ich werde Clarence bitten, Sie zum Waschraum zu begleiten.«
So hatte Dinah das nicht gemeint. Sie wollte es richtigstellen, aber der Adlige kam ihr zuvor. Er musste nur laut mit den Fingern schnippen, und schon stand Clarence in seiner Nähe.
»Unserem Gast ist es übel geworden. Ich denke, Sie sollten Miss Cameron zum Waschraum begleiten.«
»Sehr wohl.«
»Wenn es ihr besser geht, kann sie ja wieder zu uns kommen. Alles Weitere wird sich ergeben.«
Nein, nein! Es waren innerliche Schreie, die Dinah durchtosten. So war das nicht gemeint. Ich will nicht mehr an diesen verdammten Tisch zurückkehren. Ich will überhaupt nicht in dem Haus hier bleiben. Ich will gehen, ich will zur Polizei. Ich will dort über moderne Kannibalen reden und…
Sie brachte nichts hervor und hatte das Gefühl, dass allein die Blicke sie zum Schweigen brachten. Sie war hier die Verliererin, und das auf der ganzen Linie.
Sie ließ sich zurückfallen, als der Butler neben ihr stehen blieb und ihr zunickte. »Kommen Sie.«
»Ja«, flüsterte Dinah, »ja, ich werde mit Ihnen gehen.«
Schwerfällig erhob sie sich von ihrem Platz und bekam auch den Kommentar der Marquise mit.
»Es wird Ihnen sicherlich gut tun, wenn Sie sich etwas abkühlen. Sie müssen auch das Dessert nicht zu sich nehmen.«
Als Dinah das hörte, wäre ihr fast wieder schlecht geworden. An Essen konnte sie nicht denken, zumindest nicht an so eines. Sie merkte, dass ihr die Knie weich geworden waren, und als sie ging, da schwankte sie heftig. Sie schaute nach vorn, aber ihr Blick hatte sich verändert. Das Zimmer schaukelte plötzlich. Da bewegten sich die Wände, und auch der Ausgang stand nicht mehr gerade.
Jetzt war sie froh, dass Clarence sie festhielt und an ihrer linken Seite abstützte. So verließen die beiden das Esszimmer. Normalerweise achtete Dinah immer darauf, wohin sie ging. Das war in diesem Fall nicht möglich. Sie kam sich auch weiterhin vor, als würde sie über ein unruhiges Wasser schreiten. Und sie sah nicht genau, wohin sie gingen.
Erst als Clarence seinen Schritt stoppte, öffnete sie die Augen weit und sah vor sich eine braune Holztür.
»Meine - meine Handtasche«, bat sie.
»Die brauchen Sie nicht. Im Bad liegt alles bereit. Sie können sich Zeit lassen.«
Die Tasche war ihre letzte Chance gewesen. Das heißt nicht direkt sie, sondern ihr Inhalt. Unter anderem befand sich auch ein Handy darin.
Nie zuvor hatte sie sich so danach gesehnt wie in dieser Situation. Es war immens wichtig. Damit hätte sie Hilfe holen können. Aber der Butler öffnete die Tür und schob Dinah über die Schwelle. Wie nebenbei erkannte sie den Schlüssel in der Hand des Mannes, und dann hörte sie, wie die Tür nach dem Zuschlagen von außen abgeschlossen wurde.
Das also war die Falle!
In diesen Augenblicken war ihr das richtig zu Bewusstsein gekommen.
Sie sagte kein Wort, sie schrie auch nicht. Sie stand da und spürte, wie ihr kalt wurde, während ihre Stirn zugleich eine gewisse Hitze abstrahlte.
Langsam drehte sie sich auf der Stelle. Ein recht großes Bad. Eine Wanne, eine Dusche ein breites Waschbecken mit einem Spiegel darüber, in den sie hineinschaute.
Dinah erkannte sich selbst kaum. Sie sah völlig fertig aus. Wie jemand, der mit seinen Nerven am Ende war und keine Kraft mehr hatte. Auf ihrem Körper klebte der Schweiß. Ihr Herz schlug viel schneller als gewöhnlich, und die verfluchte Angst war wie ein Druck, der ihren Kopf zu sprengen drohte.
Die kurze Strecke bis zum Waschbecken ließ sie mit zittrigen Bewegungen hinter sich und war dann froh,
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