1547 - Adel vernichtet
Flasche auf einem kleinen Beistelltisch ab und verschwand.
De Geaubel griff nach seinem Glas. Er hob es an, schwenkte die Flüssigkeit und schaute den Schlieren nach, die sich an der Innenseite des Glases gebildet hatten.
»Ein wirklich edler Tropfen«, lobte er, »es ist einer meiner besten Weine aus dem Keller. Ein Petrus, zwanzig Jahre alt und wunderbar gereift. Ein Aroma nach Trauben und Nüssen. Aber was rede ich da, Sie werden es selbst schmecken. À votre sante.«
Sie tranken, und Dinah riss sich zusammen. Sie wollte auf keinen Fall eine Schwäche zeigen. Auch wenn der Wein der beste der Welt war, sie würde ihn trotzdem nicht genießen können, denn die Würmer in der Suppe hatte sie nicht vergessen.
Er war wirklich gut. Samtweich und mit einer Fülle ausgestattet, die man nur selten fand. Ein Schluck wie ein Märchen, und sie trank gleich noch einen zweiten.
»Was sagen Sie?«
Dinah schaute den Frager an und leckte einen letzten Tropfen von der Unterlippe.
»Er ist einfach perfekt.«
»Ja, Sie haben sich nicht geirrt. Er ist perfekt, wie er sein muss, und das Gleiche behaupte ich nach wie vor von der Suppe.«
»Das können Sie ruhig. Aber Sie sollten auch nicht vergessen, dass es für jeden Menschen Grenzen gibt, die er beim besten Willen nicht überschreiten kann.«
»Ich denke, dass Sie noch einiges lernen müssen«, sagte die Marquise.
»Aber Sie gefallen uns trotzdem - oder?« Sie schaute dabei ihren Mann an, der heftig nickte.
Dinah wusste nicht, was sie von diesem Kompliment halten sollte. Sie fühlte sich immer unwohler in ihrer Haut, auch weil sie jetzt die Blicke der anderen direkt auf sich gerichtet sah. Sie wusste beim besten Willen nicht, wo sie noch hinschauen sollte, denn sie fühlte sich nun unter Beobachtung, egal, was sie auch tat.
Dann versuchte sie es mit einem Lächeln und schnitt dabei ein anderes Thema an.
»Essen Sie öfter so exotisch, auch wenn Sie unter sich sind?«
»O ja«, bestätigte die Marquise de Geaubel. »Wir sind da sehr flexibel und nicht unbedingt festgelegt. Das hat sich alles entwickelt im Laufe der Zeit. Essen ist etwas Wunderbares, und was uns schmeckt, das genießen wir auch.«
»Gibt es denn etwas, was Ihnen besonders gut schmeckt?«
»Nein, nein, meine Liebe. Obwohl ich zugeben muss, dass wir einen gewissen Hang zur Exotik haben.« Sie lachte etwas zu laut. »Ich kenne Menschen, für die ist eine Gänse- oder Entenleber schon sehr exotisch. Zu denen gehören wir natürlich nicht.«
»Ja, das habe ich feststellen können.« Dinah trank wieder einen Schluck Wein. »Gibt es denn Lokale hier in der Stadt, die Ihnen diese Gerichte servieren?«
»Das schon. Man kann vorher bereits seine Wünsche äußern, dann wird entsprechend gekocht.«
»Verstehe.«
»Das sollten Sie auch probieren«, schlug die Marquise vor. »Sie werden viele Vorurteile verlieren.«
»Kann sein, aber dazu kann ich mich beim besten Willen noch nicht durchringen.«
»Ihr Pech.«
Henri de Geaubel klatschte in die Hände.
»Ich denke, wir sollten das Hauptgericht kommen lassen.«
»Sehr gut«, lobte seine Frau.
Dinah Cameron geriet wieder ins Schwitzen. Sie hätte gern noch gewartet und dabei sogar auf eine Chance gelauert, sich aus dem Staub machen zu können. Eine gute Ausrede wäre ihr dabei schon eingefallen, aber sie blieb wie angeklebt auf dem Stuhl sitzen.
Clarence erschien mit einer Schüssel, die er mitten auf den Tisch stellte.
Auch sie hatte einen Deckel, der nicht so dicht schloss, als dass er den Geruch zurückgehalten hätte.
Diesmal war Dinah zufrieden, was den Geruch anging, und der Marquis wollte sie nicht lange im Unklaren lassen, denn er sprach davon, dass sich in der Schüssel ein Gemüse befand.
»Welches?«
»Wir haben es der Jahreszeit angepasst. Es ist ein Rotkohl. Ich glaube schon, dass er Ihnen munden wird. Wir haben ihn extra aus unserer Heimat einfliegen lassen und ihn dann nach einem besonderen Rezept zubereitet. Wir geben immer etwas Honig und auch Johannisbeergelee hinzu.«
»Ja, das kenne ich.«
»Und er passt besonders zu unserem - sagen wir Fleisch…«
»Und das wäre?«
»Da müssen Sie sich wieder überraschen lassen. Clarence wird es gleich servieren.«
Er kam sofort. Wieder standen vier Teller auf dem Tablett, und von nun an hatte Dinah nur Augen für das Stück Fleisch, das so groß war wie eine halbe Hand. Dabei sehr kompakt, aber auch von kleinen Kapillaren durchzogen.
Die Fachfrau in ihr meldete sich, und sie kam zu dem
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