1547 - Adel vernichtet
bitte…«, sie schluckte, »…ich kann es nicht essen.«
»Sie verpassen was«, erklärte die Marquise, und Dinah Cameron schaute sie an.
Es war ein Bild, vor dem sie sich schütteln konnte. Sie sah, dass zwischen den Zähnen der Frau einer dieser Würmer steckte. Zur Hälfte war er noch zu sehen, und sein Ende zuckte einige Male hin und her, bis die Frau ihre Zunge vorschob und den Wurm so zu sich in den Mund holte. Dann zerkaute sie ihn genüsslich und lächelte dabei.
Dinah spürte ihren Magen. Sie glaubte, dass er sich in Richtung Kehle bewegte. Sie musste schlucken und trank hastig ihr Glas leer. Mit dem Wasser spülte sie nach.
»Sie sind aber sehr sensibel«, sagte Henri de Geaubel. »Als Testesserin und…«
»Bitte, hören Sie auf.« Dinah deutete auf die Terrine. »So etwas kann ich nicht essen. Es gibt schon einen Unterschied zwischen Würmern und Krabben, das sollten auch Sie wissen.«
»Sicher weiß ich das. Aber der Geschmack ist hervorragend. Sehr würzig, sage ich Ihnen. Wir haben uns beim Kochen sehr viel Mühe gegeben. Eigentlich hätten wir jetzt beleidigt sein müssen. Stellen Sie sich vor, Sie wären im Orient. Wenn Sie dort die angebotenen Speisen nicht zu sich nehmen, werden Sie keinen Stich mehr bekommen.«
»Ich bin aber nicht im Orient, sondern in England und mitten in London.«
De Geaubel schüttete den Kopf.
»Wie kann man nur so störrisch sein. Ich habe gedacht, dass Sie die richtige Person für die Zeitschrift sind. Jetzt muss ich meine Meinung revidieren. Schade.«
Dinah holte tief Luft, dann hatte sie sich gefangen. »Hören Sie, ich habe in meinem noch recht jungen Leben schon vieles probieren müssen. Exotisches Fleisch und auch exotischen Fisch. Aber es gibt Dinge, da mache ich nicht mit. Ich esse kein Hunde oder Affenfleisch und auch keine Würmer.«
»Da entgeht Ihnen was.«
»Das mag sein, aber ich habe da meine eigene Meinung, wenn Sie verstehen.«
»Gut.« Der Marquis lächelte. »Gestatten Sie uns denn, dass wir unsere Suppe essen?«
»Bitte, wie Sie wollen. Ich möchte ja nicht, dass sie kalt wird und an Geschmack verliert.«
»Ich danke Ihnen.«
Das Ehepaar und ihr Sohn aßen weiter. Sie ließen sich durch nichts mehr stören, auch nicht durch die Blicke der Journalistin, die dann versuchte, keinen der am Tisch sitzenden Menschen anzuschauen und schließlich zur Decke sah.
Dinah hörte das leise Schlürfen und manchmal auch ein Knacken, wenn die Würmer unter dem Druck der Zähne zermalmt wurden.
Meine Güte!, dachte sie. Wo bin ich hier nur gelandet?
Sie hatte schon viel erlebt, aber so etwas noch nicht. Die Menschen boten immer wieder Überraschungen.
Am liebsten wäre sie aufgestanden und fortgelaufen. Doch das brachte sie nicht fertig. Auch wenn es ihr schwerfiel, wollte sie den Gastgebern noch eine Chance geben, doch sie dachte schon mit Schaudern an das Hauptgericht, das der Suppe folgen würde.
Was mochte da auf den Teller kommen?
Am liebsten hätte sie gefragt und wäre dann fluchtartig aus dem Haus gerannt, wenn ihr die Antwort nicht passte. Nur traute sie sich das nicht.
Sie hörte ein Klappern und sah, dass der Gastgeber seinen Löffel zur Seite gelegt hatte. Auf seinem Gesicht breitete sich ein zufriedener Ausdruck aus.
»Es hat sehr gut geschmeckt. Sie wissen wirklich nicht, was Sie verpasst haben.«
»Ich möchte es auch nicht wissen.«
»Na ja…« Der Marquis schaute sie an.
Dinah gab den Blick zurück, und sie erschauderte innerlich, als sie in die Augen sah, deren Blick ihr ganz und gar nicht gefiel.
Sie fühlte sich nicht nur angestarrt, sondern auch irgendwie seziert, als wäre sie ein Stück Fleisch, das zum Tranchieren zurechtgelegt worden war.
Als sie zur Seite schaute, erschien der Butler, der abräumte.
Der Hausherr fragte nach dem Wein.
»Die Flaschen sind geöffnet, sodass der Wein atmen kann.«
»Sehr gut, Clarence, dann schenken Sie ein.«
»Gern.«
Der Butler verschwand mit den Terrinen und kehrte gleich darauf mit dem Rotwein zurück, den der Hausherr erst kosten musste. Er tat es mit sichtlichem Vergnügen und schnalzte mit der Zunge.
»Köstlich. Schenken Sie bitte ein.«
»Gern.«
Der Butler tat seine Pflicht.
Die am Tisch Sitzenden schauten zu, und Dinah, die sehr gern Rotwein genoss, überkam der Eindruck, dass diese tiefrote Flüssigkeit mit den leichten Brauntönen auch durchaus Blut sein konnte.
Jetzt mach dich nicht selbst verrückt!, befahl sie sich. Das ist Unsinn.
Der Butler stellte die
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