1547 - Adel vernichtet
die Besuche nicht nur aus Interviews bestanden. Dinah war auch häufiger zum Essen eingeladen worden, um die Küche selbst schmecken zu können.
Natürlich hatte die Dame des Hauses nur in den seltensten Fällen am Herd gestanden, doch wer sich letztendlich die Mühe machte, war schließlich egal.
So würde es auch hier bei der Familie de Geaubel sein. Genauer gesagt beim Marquis und der Marquise de Geaubel, einer Familie, die aus dem Elsass stammte und dann in London hängen geblieben war.
Warum das alles so gekommen war, das hoffte Dinah beim Essen zu erfahren, denn die Interviews bei den Mahlzeiten wie nebenbei zu führen, das gefiel ihr ganz besonders.
Am heutigen Abend hatte ihr Madame de Geaubel versprochen, selbst zu kochen, und sie war gespannt.
Wenn nur nicht dieses ungute Gefühl gewesen wäre, das ihren Magen wie ein Druck umgab. Es hatte auch für ein gewisses Herzklopfen bei ihr gesorgt. Eine Erklärung dafür fand sie jedoch nicht. Und an diesem Butler konnte es auch nicht liegen. Da hatte sie schon ganz andere Typen erlebt.
Es war möglich, dass es an der allgemeinen Atmosphäre lag, die hier herrschte. An dieser Stille, die besser in eine Kapelle gepasst hätte. Sie wirkte bedrückend, als würde etwas darin lauern und auf einen bestimmten Zeitpunkt warten.
Im Spiegel entdeckte sie die Bewegung in ihrem Rücken.
Der Butler tauchte wieder auf. Er ging mit steifen Schritten und hatte den Blick seiner dunklen Augen auf Dinahs Rücken gerichtet.
Als sie sich umdrehte, blieb der Butler stehen.
»Die Herrschaften erwarten Sie im Salon.« Er lächelte zäh. »Wenn ich Sie dann bitten darf, Madam.«
»Gern.«
Der Mann im dunklen Cut blieb an ihrer Seite, ging jedoch einen Schritt vor. Wenn sie nicht über einen Teppich schritten, knarrte das alte Holz unter den Schuhen.
Vorbei an Kommoden und kleineren Tischen mit Stühlen aus dem Barock gingen sie einer offenen Tür entgegen, hinter der der Salon lag.
Die Spannung in Dinah Cameron stieg. Sie kannte den Grund selbst nicht, aber sie kam sich vor wie bei ihrem ersten Besuch einer Adelsfamilie aus Schottland.
Der Butler geleitete sie in den Salon und stellte sie vor.
»Miss Dinah Cameron.«
Endlich konnte sie lächeln, denn die drei Personen, die auf sie gewartet hatten, lächelten ebenfalls. Der Marquis und die Marquise de Geaubel schauten ihr entgegen. Im Hintergrund stand ein junger Mann, der unschwer als Sohn des Ehepaars zu erkennen war.
Der Marquis kam auf sie zu und reichte ihr die rechte Hand.
»Ich darf Sie recht herzlich auch im Namen meiner Gattin und meines Sohnes hier bei uns begrüßen.« Sein Gehabe wirkte nicht übertrieben, und die Journalistin merkte, dass die Spannung in ihr abflaute. Zum ersten Mal atmete sie wieder tief durch.
Die Marquise war eine Frau mit blonden, kurz geschnittenen Haaren, sehr schlank, und in ihrem dunklen Kostüm wirkte sie etwas streng. Ein Gesicht, in dem die Wangenknochen etwas zu sehr hervorstanden. Eine gebräunte Haut und helle Augen, die sich Dinah genau anschauten. Auch die Marquise hieß die Journalistin noch mal willkommen und stellte dann ihren Sohn Eric vor.
Der junge Mann war um die zwanzig. Er hatte lockiges Haar wie auch sein Vater, nur war es bei ihm noch nicht grau, sondern blond. Vom Gesicht her glich er mehr seiner Mutter, denn die Gesichtszüge des Mannes sahen weicher aus. Auf der Oberlippe des Marquis wuchs ein grauer Bart. Der Mann war mit einem Blazer bekleidet, dessen Farbe ein tiefes Blau zeigte. Dazu trug er eine hellgraue Hose und schwarze Schuhe.
Dinah wusste, dass die Frau auf den Namen Uta hörte. Ihr Mann hieß Henri.
Er hatte seinen Vornamen nicht der englischen Sprache angepasst und bestand auf dem als letzten Buchstaben.
Der Butler war klammheimlich verschwunden. Er kehrte allerdings zur richtigen Zeit zurück. Da trug er ein Tablett auf dem vier mit Champagner gefüllte Gläser standen, die er herumreichte, bevor er sich wieder zurückzog.
»Ich hatte mir gedacht, dass wir so etwas wie einen Aperitif hier im Salon nehmen. Sie mögen doch Champagner, Miss Dinah?« .
»Gern.«
Der Marquis hob sein Glas. »Wollen wir darauf trinken, dass dieser Abend unvergesslich bleiben wird.«
Auch das noch!, dachte Dinah, machte das Spiel aber mit und zeigte ihr bestes Lächeln.
Sie tranken, und die Journalistin musste sich eingestehen, dass der Champagner wirklich edel war und auch die richtige Temperatur hatte, als er perlend durch ihre Kehle rann.
Auch der Sohn des
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