1547 - Adel vernichtet
Er hatte auch noch nichts gesagt und hielt sich jetzt ebenfalls zurück.
Sie tranken wieder, und der Butler sah es als seine Aufgabe an, Wein nachzuschenken, bevor er die leeren Teller abräumte. Der Marquis übernahm erneut die Gesprächsführung. Er kam auf die Berichte in der Zeitschrift zu sprechen und meinte, dass dort auch viel über die Menschen stand, mit denen Dinah essen war. »Das stimmt.«
»Dann führen Sie die Interviews während des Essens?«
»Nein. Ich richte mich immer nach meinem Gegenüber. Wenn er es möchte, rede ich darüber, ansonsten gibt es meist noch genügend Gelegenheiten, es nach dem Dinner zu tun.«
»Das hört sich nicht schlecht an.«
»Wir können später plaudern. Vorausgesetzt, dass Sie es wollen, Marquis.«
Der wandte sich an seine Frau. »Was meinst du dazu, Uta?«
Die Adlige musste erst nachdenken. Sie schaute auf ihren leeren Teller und hob die Schultern.
»Was soll ich dazu sagen? Ich weiß ja nicht, über was wir sprechen sollen.«
»Wenn Sie wollen, können Sie das Thema bestimmen, Marquise«, sagte Dinah. »Ich bin keine investigatorische Journalistin. Ich will den Menschen die schönen Seiten des Lebens näher bringen. Dazu gehört das Essen und das Trinken in einer angenehmen Gesellschaft.«
»Sehr gut«, lobte de Geaubel, »dass Sie das so sehen. In der Regel greifen Journalistin gern an, weil sie wollen, dass man sich auf eine gewisse Weise entblößt. So wie Sie das sehen, ist es schon gut. Ich denke, da können wir Sie unterstützen, nicht wahr?«
Die Marquise nickte nur.
»Dann freuen wir uns auf die Vorspeise!«
Wo der Butler gewartet hatte, sah Dinah nicht. Aber er musste die Worte gehört haben, denn er erschien wie ein Geist. Auf dem Teppich war er kaum zu hören, doch ihn verriet ein leises Klappern. Es stammte von den vier Terrinen, die er auf einem Tablett balancierte und die er dann der Reihe nach vor dem Gaste und den Gastgebern abstellte.
»Vorsicht, es ist heiß«, warnte er noch.
»Danke.« Dinah Cameron schaute auf den Deckel, den jede Terrine als Haube zierte. Dass die Suppe heiß war, merkte sie daran, dass etwas Dampf durch die Ritzen an der Seite stieg, der einen Geruch transportierte, den Dinah nicht einordnen konnte.
»Es ist das Überraschungsdinner, wie ich schon sagte«, bemerkte der Gastgeber. »Bitte, heben Sie die Deckel ab, Clarence.«
»Sehr wohl, Sir.«
Warum habe ich plötzlich Schweißperlen auf der Stirn?, fragte sich Dinah, die zuschaute wie der Butler bei den Gastgebern begann, dann zu Eric ging und zum Schluss zu ihr kam.
Mit einer formvollendeten Bewegung hob er die Haube ab und trat zur Seite.
Dinah starrte auf die Suppe.
Sie war fast klar, aber das interessierte sie nicht mehr, denn der Inhalt war wichtiger. Etwas schwamm dort mit zuckenden Bewegungen herum, und sie kannte nur eine Erklärung.
In der Suppe schwammen Würmer!
***
Es war für Dinah eine Premiere. Sie hatte so etwas noch nie erlebt und hatte auch nicht damit gerechnet. Innerhalb von zwei, drei Sekunden verkrampfte sie sich, und dass ihr der Löffel nicht aus der Hand rutschte, war für sie ein Wunder.
Sie saß da, den Blick gesenkt, und schaute auf das, was in der Suppe wimmelte.
Ja, es gab keine andere Erklärung für sie. Das waren Würmer. So lang wie ein halber Finger. Dabei bräunlich und noch leicht durchsichtig wegen der Schleimhaut.
Natürlich war ihr Verhalten aufgefallen, und der Marquis stellte eine Frage.
»Was ist mit Ihnen?«
Sie schwieg. Aber ihr Gesicht rötete sich, das wusste Dinah, ohne in den Spiegel schauen zu müssen.
»Bitte, Miss Cameron…«
Langsam hob sie den Blick. Sie schaute über den Tisch hinweg auf den Gastgeber, der sich ganz entspannt gab. Das Verhalten der beiden anderen Familienmitglieder wollte sie nicht sehen, und sie musste sich anstrengen, um ihre Frage zu stellen.
»Sind das Würmer?«
De Geaubel lächelte. »Meinen Sie?«
»Ja, sonst hätte ich es nicht gesagt!«
Er wiegte den Kopf. »Manche sagen Würmer dazu. Es kann sein, dass es stimmt, aber für mich sind sie sehr eiweißhaltig und dementsprechend gesund.«
»Würmer?«
»Ja.«
»Woher stammen sie?«
»Aus Thailand. Sie werden dort gezüchtet. Sie schmecken ausgezeichnet. Man kann sie leicht mit Krabben verwechseln. Die essen Sie doch auch - oder?«
»Ja, die esse ich. Aber das sind keine Würmer, verdammt noch mal. Hier - hier - vergeht mir der Appetit. Mag sein, dass es eine exotische Suppe ist, aber was da herumschwimmt,
Weitere Kostenlose Bücher