155 - Kriminalfall Kaprun
stärker nachgefragt.
In den 1950er-Jahren entwickelt Fakir zusätzlich hochwertige Elektroheizgeräte für den privaten Gebrauch, die durch ein solides Preis-Leistungsverhältnis und Zuverlässigkeit weltweit gerne gekauft werden. Trotz des Erfolges und ihres Aufstieges bleiben Wilhelm Kicherer und sein Sohn Heinz bodenständig. 1956 löst der 1922 in Stuttgart geborene Heinz Kicherer seinen Vater ab und übernimmt die alleinige Verantwortung. Das Fakir-Werk ist auch seine Welt, und in der zweiten Generation setzt er die grundsolide schwäbische Unternehmensführung fort und sorgt bei der ständig wachsenden Zahl von Mitarbeitern und Kunden für großes Vertrauen.
In den 1970-er Jahren expandiert Fakir so stark, dass das Unternehmen die Produktion aus der Innenstadt von Mühlacker nach Vaihingen an der Enz verlegt, wo 1978 ein großes neues Werk gebaut wird. Zur Einweihung kommt die regionale Politik und Kicherer wird geehrt. Ihm ist es gelungen, gemeinsam mit seinem Vater aus einem kleinen schwäbischen Handwerksbetrieb ein Unternehmen mit Weltgeltung zu schaffen. 2004 arbeiten in Vaihingen 400 Mitarbeiter, von denen viele dem Unternehmen die Treue halten, einige sogar in zweiter und dritter Generation. Zusätzlich unterhält Fakir ein leistungsfähiges, weltweites Vertriebsnetz, weil besonders die Heizlüfter auf allen Kontinenten nachgefragt werden. Die solide Verarbeitung, die Zuverlässigkeit, die einfache Bedienung und lange Lebensdauer sowie die gute Heizleistung sind der Grund für die Beliebtheit der Fakir-Heizgeräte weltweit.
Die Folgen für Fakir sind verheerend. Überall brechen die Verkaufszahlen ein, und Händler schicken Fakir-Geräte zurück. Der Absatz stockt, die Produktion muss zurückgefahren werden. Mitarbeiter im Vaihinger Stammwerk beginnen um ihre Arbeitsplätze zu bangen. Die Fakir-Familie zweifelt in keiner Minute an ihrem Heizlüfter, sie alle kennen ihre Arbeit, wissen um die Sicherheitskontrollen und Überprüfungen bei der Produktion. Alle ihre Geräte erfüllen die höchsten Sicherheitsstandards. Was haben die Österreicher mit ihrem »Hobby TLB « gemacht, damit er den Brand ausgelöst hat, fragen sich der Lehrling und der Meister, die Frauen an den Packtischen und die Bürokräfte, die Techniker und Ingenieure, die Geschäftsführung und die Familie Kicherer. Ihr Lebenswerk ist bedroht.
Kapitel 32
Eva Danninger-Soriat sitzt an ihrem Schreibtisch in der Salzburger Staatsanwaltschaft. Sie merkt, dass sie im Kaprun-Prozess zunehmend isoliert wird. Begegnen ihr Richter im Landesgericht, glaubt sie, bei ihnen Unsicherheit zu spüren. Der sonst unbekümmerte Umgang unter Kollegen findet nur noch selten statt. Aus Wien wird ihr zugetragen, dass ihr Festhalten am Muhr-Gutachten kritisch bewertet und ihr als mangelnde Flexibilität und verbohrte Rechthaberei ausgelegt wird. Im Justizministerium, das vom FPÖ -Minister Dieter Böhmdorfer geführt wird, und bei der Oberstaatsanwaltschaft in Linz haben sich Kaprun-Verteidiger über sie beklagt. »Staatsanwältin Danninger-Soriat kann offensichtlich nicht akzeptieren, dass ihre Anklage unzureichend ist und sie ausschließlich auf einen überforderten Gutachter gesetzt hat. Ihr Verhalten im Prozess behindert die Wahrheitsfindung.« Das ist der Tenor der Kritik an ihr.
Manchmal fragt sie sich jetzt, ob es tatsächlich richtig war, ihre Anklage so stark auf den Untersuchungen von Anton Muhr aufzubauen. Doch je länger sie darüber nachdenkt, umso sicherer wird sie. Muhr hat Recht, ist sie überzeugt. Sonst hätten die Verteidiger ihn nicht so massiv bekämpft und ihn immer wieder mit fragwürdigen Mitteln persönlich angegriffen. Auch die nachfolgenden Sachverständigen würden sich über seine Feststellungen nicht so ereifern, wenn sie eindeutig falsch wären.
Ein Salzburger Kollege ruft sie an. »Stell dir vor, Manfred Seiss wurde die Rolle eines Fernsehrichters angeboten«, sagt er. "Ist das nicht verrückt?"
»Was?«
»Die Kirch Media Entertainment hat ihm eine Rolle als TV-Richter im deutschen Privatfernsehen angeboten, wie Alexander Hold oder Barbara Salesch.«
»Das wird er abgelehnt haben. Er kann ja wohl nicht den Kaprun-Prozess leiten und nebenbei im deutschen Fernsehen Wirtshausraufereien und Eifersuchtsdramen verhandeln.«
»Nein, hat er nicht. Er hat am 24. März 2003 um die Genehmigung dafür angesucht. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz hat sie ihm allerdings nicht erteilt. Ich lese dir aus der Ablehnung vor:
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