155 - Kriminalfall Kaprun
äußerlich wie technisch vom eingebauten Typ erheblich abweicht, dafür jedoch für den Einbau in Fahrzeuge geeignet ist.
Bei der Gletscherbahn liege trotzdem kein Verstoß gegen die Auflagen des Herstellers vor, weil Fachleute sich grundsätzlich nicht an Gebrauchsanweisungen halten müssen, meint die Verteidigung.
Der Richter formuliert es so: »Eine Bedienungsanleitung ist weder ein Gesetz, noch eine Verordnung und auch keine Verkehrsnorm.Beim Einbau des gegenständlichen Heizlüfters konnte nur auf elektrotechnische Regelwerke als gültige Verkehrsnorm zurückgegriffen werden.«
Die Sachverständigen und Anwälte setzen noch eins drauf und bringen die Prüfzeichen des Heizlüfters ins Spiel. Diese hätten eindeutig auf die Eigensicherheit des Gerätes hingewiesen, sodass sich die Beschuldigten hierauf verlassen konnten, erklären sie. Sie berufen sich dabei auf die beiden deutschen Prüfzeichen »GS« und »VDE«, mit denen die von der Firma Swoboda in die Wagenzüge eingebauten Heizlüfter »Fakir Hobby TLB « ausgestattet waren. Die Prüfzeichen bedeuten:
GS (Gerätesicherheit): geprüft nach dem deutschen Gerätesicherheitsgesetz.
VDE (elektrische, mechanische und thermische Produktsicherheit): bestätigt die Einhaltung europäischer und internationaler Normen sowie die Schutzanforderungen nach den anspruchsvollen VDE-Richtlinien.
Langatmig führen die Sachverständigen aus, welch hohe Qualität mit diesen beiden Prüfzeichen verbunden ist, und dass sich die Monteure somit beim Einbau auf die Eigensicherheit der Heizlüfter voll und ganz verlassen konnten. Auch dies überzeugt Einzelrichter Manfred Seiss. Ein Punkt bekommt dabei keine Bedeutung: Weil die »Hobby TLB «-Geräte in zwei Teile zerlegt und in eine Zwischenwand fest montiert wurden, haben sie jegliche Eigensicherheit verloren. Die Prüfzeichen sind damit wertlos geworden.
Der Richter übernimmt auch hier die Darstellung seiner Sachverständigen. Die Staatsanwältin lässt nicht locker und befragt immer wieder die Gutachter nach der fahrlässigen und ungeschützten Anbringung der Haushaltsheizlüfter direkt neben den unter Druck stehenden Hydraulikleitungen. Sie will wissen, warum dieser Eigenbau während des langjährigen Betriebes der Bahn nie kontrolliert wurde. Als sie die Gerichtsexperten damit nervt, entwickelnsie einen neuen Begriff, nämlich die »heiße« und die »kalte« Seite von Heizgeräten. Die Hydraulikölleitungen seien an der »kalten« Seite des Heizlüfters montiert worden, somit konnte von ihnen keine Gefahr ausgehen. Vor Kaprun gab es diesen Begriff nicht, auch deshalb, weil ein heizendes Gerät an allen Seiten »heiß« ist. Aber das kümmert weder die Sachverständigen noch den Richter.
Bei der Befragung eines Gerichtsgutachters am 3. Dezember 2003 lässt Danninger-Soriat nicht locker. Sie zeigt ihm ein Bild des Heizlüfters von der Seite mit den unmittelbar dahinter verlaufenden Ölleitungen und fragt ihn, ob das so in Ordnung war.
Dem Gutachter ist sichtlich unwohl. Unsicher sagt er: »Dann müsste ich aber davon ausgehen, dass das Gerät nicht sach- und fachgerecht ist. Das ist nämlich die schwierige Frage. Sie bringen mich hier in eine sehr schwierige Situation. Wenn ich jetzt sage, dass eine Gefährdung vom Heizlüfter ausgeht, dann würde ich damit sagen, dass das Gerät auch für einen Nichtexperten im Bereich des Brandschutzes als risikoreich zu erkennen ist. Unter der Voraussetzung, dass dieses Gerät mit den ganzen Prüfzeichen versehen als sicheres Gerät anzusehen ist, das heißt, dass das Gerät selbst eigensicher ist, ist diese Ausführung sach- und fachgerecht.« Der Gutachter überlegt noch einmal kurz: »Nein, ich will mich festlegen, und das haben wir wiederholt von den Kollegen gehört, dass dieses Gerät alle technischen Prüfzeichen besaß. Es ist davon auszugehen, dass das Gerät eigensicher ist.«
In einer Prozesspause macht sich Danninger-Soriat eine Notiz. »Das Kaprun-Paradox«, schreibt sie. »Wenn ich die Gutachter frage, ob die Salzach bergauf fließt, antworten sie mit ›grundsätzlich nicht, im Fall Kaprun aber schon.‹«
Viel mehr noch beschäftigt Danninger-Soriat die Frage, welche langfristige Strategie die Verteidigung verfolgt. Sie grübelt lange und oft darüber nach, bis sie zu einem Schluss kommt. Das Ziel könnte das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz sein. Es regelt die Haftung bei Bahn- und Busunfällen und enthält im § 9 genau das, wonach die Ministerien
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