1550 - Die Frau aus der Knochengrube
auf unsere Seite schlagen.«
»Und wie soll das geschehen?«
»Das ist sehr einfach. Sie haben doch bestimmt einen Computer in Ihrem Zimmer.«
»Ja, meinen Laptop.«
»Das ist gut.« Ich deutete zum Eingang. »Wir werden gemeinsam in Ihre Wohnung gehen, und Sie, Vanessa, setzen sich an den Computer und nehmen mit dieser Schattenfrau Kontakt auf.«
Sie schnaufte beim Luftholen, überlegte und gelangte zu dem Schluss, dass ich keine andere Möglichkeit zuließ.
»Wenn es denn sein muss«, murmelte sie und zuckte mit den Schultern.
»Es muss sein. Ich denke zudem, dass Sie keine Angst haben müssen. Sie sind nicht mehr allein.«
»Das weiß ich.« Nach dieser Antwort erhob sie sich. »Dann können wir wohl gehen.«
Dem war nichts mehr hinzuzufügen…
***
Vanessa Brown wohnte unter dem Dach. Und wie bei Dachwohnungen üblich, gab es die schrägen Wände. Schon beim Eintreten zogen wir die Köpfe ein.
Der Raum, in dem Vanessas Laptop stand, war klein. Es war recht warm hier oben.
Auch in ihrer Freizeit und in ihrem privaten Bereich konnte Vanessa nicht von den Pferden lassen, denn an den schrägen und auch an den geraden Wänden klebten Pferdeposter. Sie schlief in einem Bett, dessen Bezüge ebenfalls Pferdeköpfe zeigten, was mich zu einem Lächeln veranlasste.
Das hatte Vanessa bemerkt.
»Ich liebe die Tiere nun mal und kann mir keinen anderen Beruf vorstellen.«
»Das glaube ich Ihnen.«
Ihr Laptop stand auf einem schmalen Gestell aus hellem Holz. Da war soeben noch Platz für einen Drucker.
Ich schob ihr den Stuhl zurecht. »Dann bitte, Vanessa, loggen Sie sich ein.«
Sie nickte, setzte sich und legte die Finger auf die Tastatur.
»Oder gibt es da Pausen, in denen niemand erreichbar ist?«, fragte ich.
»Das könnte ja auch sein.«
»Soviel ich weiß, nicht.«
»Okay.«
Vanessa zitterte. Es war nicht leicht für sie, das musste ich zugeben. Auf ihr lastete bestimmt ein ziemlich großer Druck.
Keiner von uns sprach ein Wort. Jetzt baute sich eine Spannung auf, die keinen von uns verschonte.
Vanessa zeigte, dass sie mit dem Gerät umgehen konnte. Sie rief die Internetseite Eternity auf. Dort gab es den Chatroom. Da würde sie sich anmelden.
Das sagte sie uns und fügte hinzu, dass sie so den Kontakt aufbaute.
»Machen Sie bitte weiter.«
»Es wird etwas dauern, Mr Sinclair.«
»Wir haben Zeit.«
»Und ich weiß auch nicht, ob sie sich meldet, nach dem, was heute passiert ist.«
»Keine Sorge, sie wird etwas tun müssen, denn sie ist durcheinander.«
»Das glaube ich nicht. Sie ist zu stark. Sie wird keinem gehorchen. Nur sich selbst.«
»Warten Sie es ab.«
Es war ja nicht nur Vanessa, die unter Druck stand. Es gab noch drei andere junge Menschen, die der Clique derjenigen angehörten, die sich das Leben nehmen wollten. Sie mussten gerettet werden, bevor es zu spät war.
Vanessa schickte ihre Botschaften. Sie gab sich wirklich Mühe, das sahen wir, aber sie hatte keinen Erfolg. Es gab niemanden aus der Clique, der antwortete.
»Da ist keiner oneline.«
»Kommt das öfter vor?«, fragte Suko.
»Nein, nicht so oft. Einer ist meist immer da, der sich meldet. Aber jetzt ist tote Hose.«
Das mussten auch wir uns eingestehen, und ich fragte mich, ob wir auf dem falschen Weg waren. Daran konnte ich nicht glauben, denn es gab keine Alternative.
»Was soll ich machen?«
Ich deutete auf den Bildschirm. »Starten sie einen neuen Versuch.«
Vanessa wollte gerade damit beginnen, als es plötzlich ein »Pling« gab.
Es war eine Mail eingetroffen.
»Öffnen Sie sie bitte«, sagte ich.
»Ja, natürlich.«
Wir waren gespannt. Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass die Mail von der namenlosen Schattenfrau geschickt worden war, und damit lag ich richtig.
Bist du noch zu Hause?, las sie die Mail vor.
Darunter stand ein Name, den Suko ebenfalls gelesen hatte.
»Wer ist Bernie?«, fragte er. »Bernie Cutler. Er ist einer von uns.«
»Wissen Sie, was der Text bedeutet?«
»Nein, Mr Sinclair, nicht direkt…«
Suko richtete sich aus seiner gebückten Haltung auf. »Die Botschaft lässt darauf schließen, dass dieser Bernie unterwegs ist. Er will, dass Sie auch dabei sind.«
»Aber wohin ist er gegangen?«
»Fragen Sie ihn.«
Vanessa nickte. Sie war jetzt aufgeregt. Auf ihrer Stirn lag ein dünner Schweißfilm. Ihre Finger zitterten leicht, als sie den Text schrieb.
Wo bist du denn, Bernie?
Jetzt wurden wir noch gespannter. Es konnte durchaus sein, dass der junge Mann die Mail von
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