1550 - Die Frau aus der Knochengrube
Schatten der Hölle existiert. Ich habe mir dort meinen Freiraum erhalten. Ich bin unersättlich. Ich will noch mehr, viel mehr, denn mit jeder Seele verstärkt sich meine Kraft. Ich kann überall sein, und ich bin viel unterwegs, um mir die zu suchen, die schwach sind und dem Leben nicht trotzen können. Ihr gehört dazu. Es war wunderbar, wie ich zuschauen konnte, wie sich eure Freunde umbrachten. Ihre Seelen stecken jetzt in mir. Sie sind auf die Schattenseite gelangt, und nichts anderes habe ich gewollt. Ich erstarke immer mehr, und das brauche ich, um eine Mächtige im Reich der Finsternis zu werden. Und du, Bernie Cutler, bist der Nächste in diesem Totenreigen.
Ich hatte alles gehört und war dabei keinen Schritt mehr weiter gegangen.
Es war mir nicht möglich gewesen, mich dieser Faszination zu entziehen, und jetzt wartete ich darauf, dass sie ihre Rede fortsetzen würde.
Doch das tat sie nicht.
Mein Kreuz hatte offenbar seine Kraft als Verstärker verloren. Ich sah nur noch den matten Glanz auf dem Metall.
Ich brauchte Sekunden, um mich wieder zu fangen und in die Realität zurückzukehren.
Dann war mir alles klar.
Es ging hier um Sekunden. Diese Schattenfrau würde die drei Lebensmüden der Reihe nach zu sich holen. Um sie zu erreichen, musste ich nur noch einige Schritte hinter mich bringen.
Ich lief schneller. Die normale Umgebung sah ich wie hinter Nebelschwaden verborgen. Ich wischte über meine Augen hinweg, wollte Klarheit haben und hörte von links eine Stimme.
»John, was ist mir dir?«, fragte Suko.
Jetzt merkte ich, dass ich beim Laufen leicht schwankte, und Suko war da, um mich zu stützen.
»Danke, es geht schon wieder.«
»Okay, wir müssen weiter.«
»Ja.«
Ich riss mich zusammen und folgte meinem Freund. Beide liefen wir auf dem direkten Weg auf die Schattenfrau zu. Sie musste vernichtet werden, bevor sie noch mehr Unheil anrichten konnte.
Dieser Gedanke war nicht der einzige, der mich beherrschte. Ich dachte auch an die Stimme, die von meinem Kreuz weitergeleitet worden war.
Ich befürchtete, dass es von der anderen Seite manipuliert werden könnte.
»Da sind sie!«
Sukos Worte rissen mich aus meinen Gedanken. Endlich konnte ich mich mit der Realität beschäftigen und sah die Schattenfrau, die von den Scheinwerferstrahlen aus der Dunkelheit gerissen wurde.
Sie floh nicht. Sie stand dort wie abgestellt. Es war nicht zu erkennen, ob sie feinstofflich war. Aber ich sah die weißen Augen und befürchtete, dass es das kalte Licht aus dem Jenseits war, das in ihnen leuchtete.
Ein junger Mann stand vor ihr. Das musste Bernie Cutler sein. Er schien von ihr fasziniert zu sein, denn er traf keinerlei Anstalten, vor ihr zu fliehen. Dann hörte ich ihn sprechen.
»Ja, ich habe mich entschlossen. Es gibt für mich keinen Weg zurück. Ich werde mit dir gehen.«
Das musste ich verhindern.
Nein, das mussten wir verhindern.
Ich wollte Suko darauf ansprechen, aber er war nicht mehr an meiner Seite.
Zugleich machte Bernie Cutler einen Schritt auf die Schattenfrau zu.
Ich startete, obwohl ich wusste, dass ich zu spät kommen würde. Es war mir nicht mehr möglich, einen Kontakt zwischen den beiden zu verhindern.
Ich versuchte es mit einem Schrei.
Nichts zu machen. Die andere Seite war schneller. Bernie legte schon seine Hände auf die Schultern der Schattenfrau.
Es erwischte beide von der rechten Seite. Suko war da, und er hatte seine Waffe schlagbereit gemacht, in der eine ungeheure Kraft steckte.
Mit der Dämonenpeitsche schlug er zu!
***
Es geschahen gleich drei Dinge auf einmal, die sich miteinander vermischten. Sukos Schlag und sein schnelles Eingreifen sorgte dafür, dass die Schattenfrau diesmal nicht fliehen konnte. Sie drehte sich nicht mal zur Seite, sondern blieb auf der Stelle stehen und nahm den Schlag hin.
Zugleich schrie Bernie Cutler auf. Plötzlich zitterte er, als durchliefe ihn ein starker Stromstoß. Sein Gesicht nahm dabei eine bläuliche Färbung an, was deutlich zu sehen war.
Aber es gab noch eine dritte Sache.
Suko hatte die Schattenfrau mit der Dämonenpeitsche voll erwischt, wobei nicht ein Laut zu hören gewesen war. Aber wir sahen die Reaktion, und sie war so stark, dass ein Triumphgefühl in mir aufstieg.
Zuerst klang der Schrei auf. Ein schrilles Geräusch, das in meinen Ohren wehtat.
Dann erwischte es die Geisterfrau. Zuerst ließ sie Bernie los, der zu Boden stürzte, weil die Beine unter ihm nachgaben. Und einen Moment später machte sich
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