1550 - Die Frau aus der Knochengrube
wird nicht aufgeben und es immer wieder versuchen.« Suko sprach auch in meinem Sinne. »Das kann sie sich einfach nicht leisten.«
»Bin ich dann verloren?«
»Nein, denn wir sind auch noch da. John Sinclair hat sie zweimal vertreiben können, und ich frage mich, warum das dabei bleiben soll. Wie heißt es? Aller guten Dinge sind drei. Und beim dritten Mal werden wir sie vernichten.«
Die junge Frau hatte mit staunenden Augen und offenem Mund zugehört.
»Wie wollen Sie das denn schaffen?«, flüsterte sie.
»Das lassen Sie mal unsere Sorge sein. Wir haben bisher noch alles in die Reihe bekommen.«
Suko zwinkerte unserem Schützling zu.
Irgendwie hatte er auch recht, nur war uns der ganz große Sieg noch nicht gelungen.
»Können wir dann gehen?«, fragte ich.
Vanessa nickte.
»Ja«, sagte sie, »das können wir. Sie haben ja ein Auto, oder?«
»Es parkt in der Nähe.«
So langsam wie eine alte Frau drückte sie sich von der Sitzfläche hoch.
Sie fand ein Kleenex-Tuch und tupfte damit den Schweiß von Stirn und Wangen.
Als wir das Zimmer verlassen hatten und die Treppe hinab gingen, sprach Vanessa wieder davon, dass sie ihre Pferde nicht allein lassen konnte.
Ich beruhigte sie. »Keine Sorge, Sie werden später wieder zu ihren Lieblingen zurückkehren.«
»Meinen Sie?«
»Darauf wette ich.«
»Ich nicht.«
Von Oliver sahen wir nichts mehr, als wir zum Rover gingen. Ich konnte nur hoffen, dass es die einzige Attacke blieb, die er erleben musste.
Suko hatte die Türen des Rovers bereits geöffnet.
Bevor sich Vanessa auf den Rücksitz setzte, warf sie noch einen letzten Blick auf die Gebäude. Es sah beinahe so aus, als wollte sie endgültig Abschied nehmen.
»Keine Sorge«, tröstete ich sie. »Sie kommen wieder…«
In Gedanken fügte ich ein »hoffentlich« hinzu…
Bernie Cutler hatte einen Platz am Fenster ergattern können. Er saß dort ruhig und schaute durch die Scheibe auf die vorbeihuschende Landschaft, von der bald nicht mehr viel zu sehen sein würde, weil er dann seinen Zielbahnhof erreicht hatte.
Er musste nicht bis in die City fahren. Es war eine kleine Station im Süden. Von dort konnte er zu Fuß zu seinem Ziel gehen, wo er auch die änderen treffen würde.
Und jetzt auch Vanessa.
Er war sicher, dass auch sie sich auf den Weg machen würde. Wie auch Kevin Leeland und Pat Spencer. Sie saßen nicht mit ihm im selben Zug, aber sie würden pünktlich sein, das hatten sie ihm gemailt. Sie waren im Auto unterwegs, das Kevins Vater gehörte.
Nicht mehr lange, und er würde am Ziel sein. Nur damit beschäftigten sich die Gedanken des Jungen, der sich ansonsten kaum bewegte und all die Gefühle auf sein Inneres gerichtet hatte.
Es wurde Zeit, den Weg zu gehen.
Der Verlust der Arbeit, der Terror zu Hause, der Stress, kaum Geld zu haben und auch keine Chance zu sehen, in der Gegend, in der er wohnte, einen neuen Job zu finden.
Dass er den alten verloren hatte, lag nicht an ihm. Die Firma hatte schließen müssen, denn die Zäune, die in diesem Betrieb hergestellt wurden, konnten in Osteuropa billiger produziert werden.
Das Leben war scheiße.
Das Leben hatte keinen Sinn mehr.
Mit sechzehn Jahren war es vorbei.
Aus, basta!
So dachte nicht nur er. Bernie wusste, dass es Pat, Kevin und Vanessa ebenso ging, und da hatten sie sich eben zusammengefunden, wie auch die anderen sechs Freunde, die den Weg in ein neues Leben bereits gegangen waren und keinen Stress mehr hatten.
Dafür wollte sie sorgen. Die Schattenfrau, die zugleich ihre Freundin und Mentorin war.
Der Zug hatte gehalten, ohne dass es von Bernie richtig bemerkt worden war. Jetzt rollte er wieder an, aber der junge Mann wusste, dass er mit der nächsten Station das Ende seiner Reise erreichen würde.
Manchmal sah er sein Gesicht in der Scheibe. Die dunkelblonden Haare waren recht lang. Er hatte sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sogar die Pickel auf seinem Gesicht konnte er sehen. Ihretwegen war er oft gehänselt worden. Wie viele andere Dinge hatte es ihn tief getroffen. Es war auch niemand in seiner Nähe gewesen, der ihm einen seelischen Halt gegeben hätte. Mit seinen Eltern hatte Bernie nie darüber sprechen können.
Da war ihm dieses Forum gerade recht gekommen. Jetzt wusste er, dass es ihm nicht allein so erging. Auch andere Menschen in seinem Alter waren bedrückt und down und hätten das Gefühl, niemals in ihrem jungen Leben etwas Positives erlebt zu haben.
All das würde es bald nicht
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