1550 - Die Frau aus der Knochengrube
die Magie der Peitsche voll bemerkbar.
Wir sahen, dass die Schattenfrau ihren Namen zu Recht erhalten hatte.
Sie zitterte, sie zuckte von einer Seite zur anderen, und sie blieb nicht mehr so, wie sie war.
Sie löste sich auf.
Ihr Körper wurde vom Boden abgehoben, und es schienen unsichtbare Klauen an ihr zu zerren, die sie stückweise auseinanderrissen. Über dem Boden schwebend verlor sie ihren Körper. Die einzelnen Teile zischten weg. Sie sahen aus wie Schattenteile, die aus dem noch vorhandenen Körper herausgerissen wurden.
Es waren kein festen Bestandteile. Was sich da über der Knochengrube verteilte, hatte die Schattenfrau früher zusammengehalten. Jetzt war sie von einer noch stärkeren Magie erfasst worden, und die sorgte für ihr gewaltsames Ende.
Das Drama spielte sich in der Knochengrube an, ohne dass wir einen Laut hörten.
Es gab die Beine nicht mehr. Dann war der Oberkörper an der Reihe.
Stück für Stück wurde er zerpflückt. Die Hände verlor sie auf einmal. Sie lösten sich in der Luft auf, als hätte man sie zerrissen. So ging es weiter, und schon bald war der Kopf an der Reihe. Es sah aus, als würde er explodieren.
Dann war die Stelle, an der sie gestanden hatte, leer.
Wir waren zu Salzsäulen erstarrt und schwiegen. Nur Bernie Cutler lag auf dem Boden und zitterte.
Suko hielt die Peitsche noch in der rechten Hand. Die linke hob er an und winkte mir zu.
Es war das Zeichen des Sieges, und das gönnte ich ihm…
***
»Wo seid ihr? Wo seid ihr?«
Der Klang einer schrillen Stimme hallte über das Gräberfeld hinweg.
Die Ruferin war Vanessa Brown; Sie lief mit torkelnden Bewegungen auf uns zu.
Ich fürchtete, dass sie im nächsten Moment in die Knochengrube fallen würde. Das wollte ich verhindern und lief auf sie zu. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um sie aufzufangen.
»Wo - wo - ist sie?«, schrie Vanessa.
»Sie ist nicht mehr da.«
»Weg?«, keuchte sie.
»Ja, Vanessa, für immer.«
Ich wollte ihr keine weiteren Erklärungen geben und führte sie zu ihren Freunden.
Die jungen Leute waren noch nicht in der Lage, etwas zu sagen. Das konnte man auch nicht verlangen. Sie würden sich später mit dem Erlebten auseinandersetzen müssen und bestimmt auch professionelle Hilfe erhalten, damit sie in Zukunft ihr Leben bejahten und nicht mehr daran dachten, es einfach wegzuwerfen.
Das jedenfalls gönnten Suko und ich ihnen von ganzem Herzen…
ENDE
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