1558 - Im Griff der Hölle
recht.
Er drehte sich plötzlich nach links. Er musste mich gesehen oder gerochen haben.
Seine angespannten Gesichtszüge erstarrten noch mehr. Sein Mund schloss sich nicht. Ich hörte sein Krächzen, und dann riss er die Augen auf.
Er sah meine gefesselten Hände auf sich zuzucken. Ich hatte beide Arme angehoben und schlug jetzt zu, wobei ich die Finger ineinander verschränkt hatte.
Martin Bloom wurde an der Stirn getroffen. Es war ein Kracher. Er kam nicht mal dazu, einen Schrei auszustoßen. Zwar blieb er noch für zwei, drei Sekunden auf den Beinen, aber da hatte sein Blick schon einen leicht glasigen Ausdruck angenommen.
Und der veränderte sich nicht, als er vor meinen Füßen zusammenbrach und auf dem weichen Boden liegen blieb.
Ich stand keuchend und leicht gebückt vor ihm. Unter mir schien der Untergrund zu schwanken. Erst nach einigen tiefen Atemzügen hörte es auf, und ich fand mich wieder besser zurecht.
Martin Bloom lag vor mir auf dem Boden. Ich war bereit, ihm einen zweiten Schlag zu versetzen. Doch das konnte ich mir sparen, denn der erste Volltreffer hatte ausgereicht, um ihm für einige Zeit das Bewusstsein zu nehmen.
Um Halt zu haben, lehnte ich mich gegen den Grabstein und war froh, dass ich die erste Gefahr gebannt hatte. Leider war noch längst nicht alles vorbei, denn nach wie vor musste ich meine Fesseln loswerden, bevor mich Sean Kilrain entdeckte.
Ich hörte und sah nichts von ihm, und so machte ich mich an die Arbeit.
Diesmal ging ich noch konzentrierter vor und war auch verbissener. Die Stricke lösten sich auf, und zum ersten Mal glitt ein Lächeln über meine Lippen, weil ich sicher war, dass ich es schaffen würde.
Den Rest erledigte ich aus eigener Kraft. Als ich sah, dass die Stricke sehr dünn geworden waren und sich die Fesselung auch gelockert hatte, zerrte ich daran, und dann hörte ich es knacken.
Die Reste der Fesselung rissen. Meine Hände waren frei.
Ab jetzt wurden die Karten neu gemischt.
Zunächst mal kümmerte ich mich um den Küster. Er lag auf dem Rücken, der Kopf war zur Seite gedreht. Sein Mund stand offen, die Augen waren ebenfalls nicht geschlossen, aber darin sah ich keinen Glanz mehr. Er würde noch für eine Weile in seinem Zustand bleiben.
Also konnte ich mich um Sean Kilrain kümmern.
Für ihn war ich ein Todfeind. Wir standen auf zwei verschiedenen Seiten und keiner von uns würde von seinem Standpunkt abweichen.
Wer die Beretta an sich genommen hatte, wusste ich nicht. Sicherheitshalber durchsuchte ich den Bewusstlosen und war schon leicht enttäuscht, dass ich meine Pistole nicht fand.
Leicht schwankend richtete ich mich wieder auf. Ich musste mir einen neuen Plan zurechtlegen.
Es war besser, dass ich Kilrain fand und nicht umgekehrt er mich. Den Moment der Überraschung wollte ich auf meiner Seite haben.
Mein Platz war recht gut. Er bot mir Deckung, und ich entschloss mich, sie vorerst nicht zu verlassen. Aber sie behinderte auch meine Sicht.
Ich versuchte, mich in die Lage von Sean Kilrain zu versetzen. Es war einige Zeit vergangen, und wie ich den Mann einschätzte, war er leicht sauer, dass er bisher noch keinen Erfolg bei seiner Suche nach mir gehabt hatte. So etwas machte nervös.
War mein Platz gut? Oder sollte ich ihn verlassen, um Kilrain zu suchen?
Ich hatte noch keine Entscheidung getroffen und brauchte es auch nicht, denn es veränderte sich etwas, weil plötzlich ein Ruf über den Friedhof wehte.
»Martin?«
Ich schrak leicht zusammen, als ich die Stimme hörte. Zugleich glitt ein Lächeln über mein Gesicht, denn ich wusste jetzt, dass sich Kilrain noch auf dem Gelände befand, und gar nicht mal weit von mir entfernt. Auf keinen Fall durfte ich ihn unterschätzen, auch wenn er einen Fehler begangen hatte.
Er hätte mich sofort in den Sarg legen oder erschießen sollen. Aber er hatte sich Zeit gelassen, weil er die Wirkung seines Schlages überschätzt hatte. Wahrscheinlich hatte er die Dunkelheit abwarten wollen. Vielleicht hätte er mich auch gern ausgefragt, doch dazu war es nun zu spät, weil ich schneller aus meiner Bewusstlosigkeit erwacht war, als er es sich hatte vorstellen können.
»He, Martin! Gib Antwort! Wo steckst du? Hast du ihn gefunden?«
Sean Kilrain konnte so oft rufen, wie er wollte. Er würde keine Antwort erhalten, und das würde ihn, so hoffte ich, noch nervöser und unvorsichtiger machen. Das war dann meine Chance.
Zu euphorisch durfte ich nicht sein. Zum einen fehlte mir eine Waffe, zum
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